Kurzschluss
damit zu absoluter Geheimhaltung verdonnern. Er legte noch einmal eine Pause ein, um dann fortzufahren: »Es gibt eine Sache, die mich seit einer Woche beschäftigt und von der ich nicht weiß, wie ernst sie wirklich zu nehmen ist. Aber ich denke, dass es Zeit wird, sich damit auseinanderzusetzen. Ich will es kurz machen: Wir werden erpresst. Um es genauer zu sagen, unser Unternehmen wird erpresst.«
Wollek sah seinen Chef mit finsterem Gesichtsausdruck an. Taler, für den diese Offenbarung nichts Neues war, nickte in die Runde.
Bodling erwartete von keinem eine Antwort, sondern fuhr fort: »Herr Taler und ich sind zu der Meinung gelangt, dass der Erpresser seine Informationen aus unserem Unternehmen haben muss.«
18
Blaulichter zuckten. In der Kühle eines noch hellen Juniabends drängten sich ein paar Schaulustige vor den rot-weißen Absperrbändern. Obwohl die Feuerwehr ohne Martinshorn angerückt war und es sich um ein dünn besiedeltes Villengebiet handelte, hatte der Einsatz für Aufsehen gesorgt. Ein paar Nordic-Walker, die hier regelmäßig ihre Runden drehten, mussten vor der Absperrung eine Zwangspause einlegen.
Häberle und Linkohr beobachteten von der Straße aus den Feuerwehreinsatz. Atemschutzträger waren mit Speziallöschgeräten in den Keller des Gebäudes gelaufen, während draußen Männer mit zwei C-Rohren bereitstanden, um notfalls jede Menge Wasser auf eine Brandstelle spritzen zu können. Noch war dies nicht erforderlich.
Funkgeräte knackten und krächzten, Dieselaggregate dröhnten, Abgase hingen in der Luft. Häberle erkannte den hauptamtlichen Feuerwehrkommandanten Jörg Bergner, der erst im Dezember aus Stuttgart in die Provinz gekommen war und bei dieser Gelegenheit auch der Kriminalpolizei einen Antrittsbesuch abgestattet hatte.
Der quirlige Mann, der einen hellgrünen Helm und eine Uniformjacke mit der Aufschrift ›Einsatzleiter‹ trug, hatte sich gerade selbst ein Bild vom Inneren des Gebäudes verschafft. »Alles erledigt, Gefahr gebannt. Die Räume sind belüftet.«
Häberles angespanntes Gesicht verzog sich zu einem Lächeln: »Danke. Was war’s denn?«
»Nitroverdünnung, vermute ich mal«, antwortete Bergner. »Kommen Sie mit runter.«
Die beiden Kriminalisten folgten dem Feuerwehrmann zum Haus und hinab in den Keller, wo starke Gebläse für Frischluft sorgten. Trotzdem hatten sie noch immer diesen beißenden Geruch nach sprithaltiger Chemikalie in der Nase.
»Vorsicht auf der Treppe«, sagte der Feuerwehrmann und deutete auf das Wasser, mit dem die mit Nitroverdünnung gelegte Spur weggespült worden war.
»Wir haben das Ding drei Minuten vor der Katastrophe unschädlich gemacht«, erklärte der Kommandant, als sie das Untergeschoss erreicht hatten. Die architektonische Aufteilung entsprach ziemlich genau der Wohnung über ihnen. Die Türen jedoch waren aus Metall, der Boden bestand aus kaltem, roh belassenem Beton.
Der Einsatzleiter führte die Kriminalisten zu dem Raum, in den die Wasserspur mündete. Drei Feuerwehrmänner waren gerade dabei, Pfützen zusammenzukehren und mit großen Tüchern aufzuwischen. Sie wichen beiseite, um den Hinzukommenden Platz zu machen. Alte Kleiderschränke, die an beide Breitseiten gestellt waren sowie eine Werkbank unter dem Lichtschachtfenster engten den Raum erheblich ein.
»Hier«, deutete der Kommandant auf eine schwarze Handlampe, die auf dem Boden lag. Ihr gummiertes Kabel schlängelte sich ungeordnet zur Wand und war mit einer Schaltuhr verbunden, die jetzt unterhalb einer Steckdose lag.
»Eine simple Zeitbombe«, kommentierte er sachlich. »Schaltuhr, Nitroverdünnung und zerschlagene Glühbirne.«
Die Kriminalisten erkannten sofort, worauf er hinauswollte: In der Handlampe steckte eine Glühbirne, deren dünner Glaskolben offenbar vorsichtig zerschlagen worden war. Darauf jedenfalls deuteten die am Boden liegenden Splitter hin. Die freien Glühdrähte der Birne hingegen waren unbeschädigt. Wären sie durch die Schaltuhr unter Strom gesetzt worden, hätte dies ausgereicht, die ausgeschüttete Nitroverdünnung, beziehungsweise das zündfähige Luftgemisch, explosionsartig in Brand zu setzen. Die Flammen hätten sich augenblicklich über die Nitro-Spur durchs Treppenhaus in die Wohnräume ausgebreitet. Innerhalb weniger Sekunden wäre das Feuer nach oben geschossen.
»Sie war auf 21 Uhr eingestellt«, zeigte der Feuerwehrmann auf die haushaltsübliche Schaltuhr, die seine Männer gerade noch rechtzeitig aus der
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