Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kurzschluss

Kurzschluss

Titel: Kurzschluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
Vom Netzwerk:
es vermutlich reine Einbildung war, wie er sich einzureden versuchte, so konnte er dieses unangenehme Gefühl nicht einfach abstreifen. Seiner Frau und den Kindern hatte er nichts davon erzählt, schließlich wollte er keine unnötigen Ängste schüren. Immerhin bezogen sich die Drohungen nur auf das Unternehmen. Für die Familie, das hoffte Bodling inständig, bestand keine Gefahr.
    Er zog den leichten Mantel und sein Jackett aus, hängte beides an die Garderobe, löste die Krawatte und versuchte, so entspannt wie möglich zu wirken, als er die nur angelehnte Tür zum geräumigen Esszimmer öffnete. Seine Frau Anette beschäftigte sich mit den beiden Kindern, die die erste und dritte Schulklasse besuchten. Die Hausaufgaben schienen erledigt zu sein, stellte Bodling mit einem Blick auf Malbücher und bunte Stifte fest. Er drückte seiner Frau einen Kuss auf die Stirn und streichelte den Kindern, einem Mädchen und einem Jungen, über die Haare. Dann bedauerte er, dass es spät geworden sei, aber es habe eine wichtige Besprechung gegeben. Anette hatte sich mit derlei Terminen ihres Mannes längst abgefunden. Sie werde jetzt die Kinder ins Bett bringen, sagte sie, und danach das Abendbrot zubereiten. Bodling sah auf eine digitale Uhr, die auf einer Ablage stand. Es war inzwischen 22 Uhr geworden. Ziemlich spät für die Kinder.
    Er lächelte und setzte sich an den Tisch. Sein Sohn zeigte ihm stolz, wie bunt er die vorgefertigten Tiere eines Bauernhofs ausgemalt hatte, während das Mädchen seinerseits Aufmerksamkeit für ein ganz in Blau gehaltenes Haus anmahnte. Ihr Vater gab sich allergrößte Mühe, sich darauf zu konzentrieren, obwohl sein Inneres aufgewühlt war und er gegen Gedanken ankämpfte, die er jetzt nicht mehr aufkommen lassen wollte. Er ließ sich noch einmal die Malkünste seiner Sprösslinge zeigen, während Anette die Buntstifte in eine Schatulle sortierte und die Kinder schließlich aufforderte, mit ins Bad zu kommen. Einigermaßen widerwillig befolgten sie diese Bitte, die schließlich im Befehlston wiederholt werden musste, ehe sie fruchtete.
    Bodling versprach, noch im Kinderzimmer vorbeizuschauen. Dann zog er seine Schuhe aus, schlupfte in Filzpantoffeln und holte sich aus dem Kühlschrank ein Pils. Den ersten Schluck genoss er noch stehend, nahm dann aber das Glas mit ins Wohnzimmer, wo er sich in einen der rostbraunen Sessel fallen ließ. Tage wie diesen hasste er. Keinen einzigen Augenblick hatte er sich um sein Kerngeschäft kümmern können, wie er es immer bezeichnete. Aber wenn es einen Zusammenhang zwischen Büttners Tod und den Drohungen gab, dann bestand die Gefahr, dass sich alles noch ausweitete. Wahrscheinlich war es falsch gewesen, die Angelegenheit bisher nicht ernst genommen zu haben. Andererseits hatten sie vorsorglich den Hausjuristen zurate gezogen, der keinen dringenden Handlungsbedarf gesehen hatte. In diesen Zeiten musste behutsam vorgegangen werden. Viel zu schnell würden gerade Energieversorgungsunternehmen in negative Schlagzeilen geraten. Und an nichts hatte die jeweilige Konkurrenz größeres Interesse, als wenn einem Wettbewerber etwas Schlechtes widerfuhr. Mit Wettbewerber war in der Unternehmenssprache der erbittertste Konkurrent gemeint.
    Bodling nahm einen zweiten Schluck des eiskalten Bieres, hörte die Kinder im Bad kreischen und lachen, dazwischen die mahnende Stimme seiner Frau, und lehnte sich zurück. Seine Augen trafen die fünfstrahlige Deckenlampe, die mit ihren Halogenstrahlern wie eine gefährliche Krake über ihm hing, wie ein Angreifer aus einer fernen Welt, der sich jeden Augenblick auf ihn stürzen würde. Bodling schob diese Schreckensfantasie auf seine angespannten Nerven. Aber vielleicht lauerte tatsächlich jemand in seinem Unternehmen, der nur darauf wartete, ihn ausbooten – oder, noch schlimmer, aussaugen zu können. Dass in der Wirtschaft mit harten Bandagen gekämpft wurde, war ihm in den Jahren, seit er an der Spitze eines erfolgreichen Unternehmens stand, längst bewusst geworden. Man musste auf der Hut sein – vor den legalen Versuchen, aus dem Spiel geworfen zu werden wie vor den illegalen, derer es zuhauf gab, und vor denen die Heerscharen der gnadenlosen Geschäftemacher und erfolglosen Winkeladvokaten nicht zurückschreckten.
    Dagegen machten sich Internetbetrüger noch wie harmlose Klosterschüler aus. Auch wenn es dem Gesetzgeber nicht mal gelang, ihnen das Handwerk zu legen. Erst kürzlich hatte ein guter Freund von ihm darüber

Weitere Kostenlose Bücher