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Kurzschluss

Kurzschluss

Titel: Kurzschluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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in diesem Lande: Wenn im Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich die Arbeitszeit festgelegt ist, gilt immer noch die 48-Stunden-Woche – ja, Sie haben richtig gehört. Die 48-Stunden-Woche.«
    Häberle hatte schon mal davon gehört und es damals bereits als unerhört empfunden, zumal doch unablässig betont wurde, wie sozial dieses Land sei.
    »Und wenn Sie für Überstunden oder Sonntagsarbeit einen Ruhetag zugestanden bekommen, dann bedeutet das in der Sprache unserer neunmalklugen Justiz noch lange nicht, dass dies ein zusätzlicher freier Tag ist – denn dieser Ruhetag kann auch ein ohnehin arbeitsfreier Samstag sein. So sieht das nämlich aus in diesem Land, Herr Häberle. Und deshalb sind nicht die Zeitarbeitsfirmen wie unsereiner die bösen Buben, sondern jene, die das per höchstrichterlicher Rechtsprechung zulassen.«
    Häberle musste sich eingestehen, viel zu wenig darüber zu wissen, schließlich waren solche Dinge glücklicherweise bei den Beamten ganz anders geregelt – trotz der angehobenen Wochenarbeitszeit. Er nahm sich aber vor, das zum Anlass für ein Gespräch mit einem befreundeten Arbeitsrechtler des Deutschen Gewerkschaftsbundes zu nehmen.
    »Darf ich fragen, wie viele Beschäftigte Sie haben?«, kam er nach Sekunden des Nachdenkens wieder auf das Thema zurück.
    »Derzeit über 80«, erklärte Frau Büttner.
    »Sicher auch aus weiterem Umkreis«, stellte Häberle fest.
    »Sie denken, aus dem Raum Geislingen?« Sie hatte offenbar sofort erkannt, worauf er hinauswollte. Häberle nickte.
    »Natürlich auch von dort«, antwortete sie schnippisch. »Von überall her. Wie gesagt, die Leute sind froh, wenn sie Arbeit haben. Aber aus Geislingen, wenn Sie’s genau wissen wollen, hab ich derzeit nur eine … eine Frau.« Gaby Büttners Gesichtszüge verkrampften sich zu einem gekünstelten Lächeln. »Sie fällt mir spontan ein, weil sie absolut unzuverlässig ist. Eine, die an allem rumnörgelt und so viele Fehltage hat wie kaum jemand anderer. Und was auffällig ist: immer montags.«
    »Gestern also auch«, meinte Häberle.
    »Gestern auch, natürlich. Und heute ist sie wieder nicht aufgetaucht. So etwas kann sich kein Betrieb leisten, auch meiner nicht.«
    »Darf ich fragen, um wen es sich handelt?«
    »Speidel heißt sie. Roswitha Speidel.«
    Häberle sagte nichts.
    »Um ehrlich zu sein«, machte Frau Büttner weiter, »der würde ich alles zutrauen, nur nichts Rechtes. Anfangs hat das alles wunderbar geklappt mit ihr. Ich hab ihr sogar hin und wieder etwas zukommen lassen oder einen Gefallen getan …« Sie stockte für einen Moment. »So kann man sich täuschen. Okay, ihr Mann scheint arbeitslos zu sein, vielleicht verbittert – aber nur weil unser gesellschaftliches System so etwas wie dieses Hartz IV hervorgebracht hat, kann ich hier doch nicht so tun, als sei ich von der Caritas, oder?«
    Häberle wollte etwas fragen, als es an der Tür klopfte und sie zaghaft geöffnet wurde. »Entschuldigen Sie, Frau Büttner.« Es war die verschüchterte junge Sekretärin aus dem Vorzimmer. »Aber es ist dringend.«
    Die Chefin wandte sich leicht gereizt ihr zu: »Sie wissen doch, dass ich einen Besucher habe.«
    »Dringendes Telefonat«, zeigte sich die Sekretärin dezent hartnäckig, um leise hinzuzufügen, als solle es Häberle nicht hören: »Die Frau Rothfuß.«
    Musste er den Namen kennen?, überlegte er. Er nahm sich vor, ihn bei sich abzuspeichern. Dann bedankte er sich für das Gespräch, während sich Gaby Büttner das Telefongespräch einigermaßen widerwillig durchstellen ließ.

23
    Linkohr war in diesen späten Vormittagsstunden über die Alb nach Breitingen gefahren. Hier, in diesem Teil der Hochfläche, die viele Senken und Mulden aufwies und wo sich weite Felder und ausgedehnte Wälder abwechselten, schien es ihm jedes Mal, als sei dies ein Stück heile Welt. Die Örtchen waren meist fein herausgeputzt, hatten aber ihren ländlichen Charakter aus der Zeit des Modernisierungswahns der 60er- und 70er-Jahre herübergerettet. Statt vieler kleiner landwirtschaftlicher Betriebe, die es einst gab, dominierten jetzt die Großbauern, die sich rechtzeitig an den Brüsseler EU-Vorgaben orientiert hatten. Ob dies auf Dauer sinnvoll war, würde die Zukunft zeigen.
    Linkohr musste unweigerlich an seinen Chef denken, der bei längeren Überlandfahrten gerne über Gott und die Welt dozierte.
    Wollek hatte darum gebeten, das Gespräch mit dem Polizeibeamten in seiner Wohnung führen zu dürfen. Er wolle die

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