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Kurzschluss

Kurzschluss

Titel: Kurzschluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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In den Büchern las es sich so einfach, wie ein Täter die Polizei austrickste und sich in Vernehmungen ganz gelassen und kühl den bohrenden Fragen entzog. Doch dies in der Realität durchzuhalten – dabei im Hinterkopf immer U-Haft, Beweislasten und neue Erkenntnisse –, das war nicht einfach. Und oft genug erleichterte ein Täter, noch kurz bevor er überführt war, sein Gewissen mit einem Geständnis. Nicht selten hatte Häberle erlebt, dass ein Mörder plötzlich froh und dankbar war, endlich seine schreckliche Geschichte erzählen zu können. Der Ermittler versuchte, sich in sein Gegenüber zu versetzen. Dem triumphierenden Gefühl, einen Widersacher umgebracht oder einen unliebsamen Zeugen getötet zu haben, folgte immer die böse Ernüchterung, die millionenfach schlimmer war als der Kater beim Erwachen nach einer durchzechten Nacht. So etwas ging wieder vorbei, doch der Albtraum eines Verbrechens blieb. Da konnte man sich noch so sehr wünschen, alles sei nicht passiert und man hoffte, bald zu erwachen. Dieses Erwachen gab es nicht. Man war schon wach, gnadenlos wach, mitten in der Realität. Und dann war nichts mehr, wie es einmal war – und es würde auch nie mehr wieder so werden. Auch nach 20 oder noch mehr Jahren Gefängnis nicht. Die Blutspur blieb – für immer und ewig.
    Dies alles schoss ihm innerhalb weniger Sekunden durch den Kopf, während Susanne mit ein paar wenigen Worten wieder einmal Verständnis für seinen Job aufbrachte. Er dankte ihr dafür und versprach, sie zum Abschluss des Falles, was ganz gewiss spätestens am Wochenende sein werde, zum Forellenessen einzuladen.
    Als er einigermaßen pünktlich das Büro der Zeitarbeitsfirma Time-Sharing ganz in der Nähe der Ulmer Justizvollzugsanstalt erreichte, hätte er nicht mehr sagen können, wie er dorthin gekommen war. Viel zu sehr war er in seine Gedanken versunken gewesen. Wieder einmal hatte sich gezeigt, dass das Unterbewusstsein in der Lage war, den richtigen Weg zu finden und – hoffentlich – alle Verkehrsregeln einzuhalten.
    Gaby Büttner war eine Frau mit blondem Pagenschnitt, der sie jünger erscheinen ließ, als sie in Wirklichkeit war. Auch ihr eng anliegendes Kleid, das ihr bestens stand, wie Häberle empfand, trug zu der Mischung aus jugendlichem Charme und distanzierter Autorität bei. Sie ließ die Tür zum Vorzimmer zufallen und bot dem Kriminalisten einen Platz am Besuchertisch an.
    »Es tut mir leid, wenn ich Sie störe«, sagte Häberle, dessen voluminöser Oberkörper das Jeanshemd unter der Jacke wieder einmal bedrohlich auseinanderzwängte. »Meine Kollegen aus Ulm haben Sie ja bereits gestern behelligt. Wir wissen alle, wie belastend solche Momente sind.« Er sah ihr in die Augen. Sie wirkte nervös und er überlegte, wie sehr sie der Tod ihres Mannes wohl mitgenommen hatte.
    »Wissen Sie«, erwiderte sie kühl. »Es gibt Dinge, die lassen sich nicht mehr ändern. Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, Franks Tod ginge mir sehr nahe.« Sie sortierte einige Blätter und legte sie exakt aufeinander. »Wie ich Ihren Kollegen schon sagte – ich bin vor vier Wochen ausgezogen. Daran mögen Sie erkennen, dass es mit unserer Beziehung nicht zum Besten stand.«
    »Für uns sind Sie …«, versuchte Häberle zur Sache zu kommen, »eine wichtige Zeugin oder Informantin, da leider das, was wir von Ihrem Mann wissen, noch nicht sehr viel ist, außer, dass er im Stromgeschäft tätig war und wohl irgendwelche Filme gedreht hat.«
    »Filme gedreht, ja«, bekräftigte sie. »Wie ein Besessener hat er sich in letzter Zeit darauf gestürzt. Wie ein Besessener.« Ihr Tonfall ließ unüberhörbar vermuten, dass sie diese Nebenbeschäftigung gehasst hatte.
    Häberle musste sofort an die Fotos denken, die sie gestern Abend gesehen hatten, und überlegte, was die Frau wusste. »Wir haben davon gehört«, sagte er bedächtig und versuchte, so behutsam wie möglich vorzugehen. »Welcher Art waren denn die Filme, die er gemacht hat?«
    Über ihr Gesicht huschte so etwas wie ein mitleidiges Lächeln. »Ich denke, Sie sind darüber informiert, oder?« Sie wartete keine Antwort ab. »Strom. Sein ganzes Leben bestand nur aus Strom. Beim Frühstück, beim Mittagessen, beim Nachtessen, am Sonntag, unterwegs – nur Strom. Ich sagte doch, wie ein Besessener hat er sich reingekniet, weil er an jeder Ecke irgendwelche Machenschaften vermutet hat. Manchmal hatte ich den Eindruck, er leide unter Verfolgungswahn: Kernkraftwerkslobby,

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