Kurzschluss
zur hölzernen Haustür, deren verwitterte Oberfläche dringend einen Anstrich notwendig gehabt hätte.
Auf Häberles Klingeln öffnete ein unrasierter Mann, der ihn mit glasigen Augen musterte und von einem Schwall Zigarettenqualm umgeben war. Der Kommissar stellte sich vor, entschuldigte sich für die Störung und gab zu verstehen, dass er über die vorausgegangene Vernehmung durch den Kollegen Schmittke informiert war. »Tut mir leid, wenn ich Sie so unangemeldet belästige«, fuhr er fort. »Darf ich für einen Moment reinkommen?«
Speidel knurrte etwas, trat zurück und ging dem Kriminalisten voraus in den dunklen Flur, von wo er ihn in das Wohnzimmer führte. Dort saß eine Frau in ein weiches Sofa versunken und blätterte in einer Illustrierten. Sie rückte ihre Brille zurecht und sah auf. »Das ist ein Kommissar von der Kripo«, sagte ihr Mann, während Häberle sich ihr zuwandte und ihr die Hand schüttelte.
»Lassen Sie sich nicht stören«, sagte er. »Ich war gerade auf der Fahrt von Ulm nach Geislingen und habe mir überlegt, dass ich mal kurz bei Ihnen vorbeischauen könnte.« Er ließ sich in einem Sessel neben Speidel nieder. »Sie haben heute meinen Kollegen etwas berichtet«, kam er gleich zur Sache. »So etwas nenn ich vorbildlich.« Er verschränkte seine Arme und versuchte zu erkennen, welches Magazin vor der Frau auf dem Couchtisch lag.
Speidel strich sich übers stoppelbärtige Kinn. »Mir hat das keine Ruhe gelassen – die Sache mit dem Zähler. Auch wenn ich jetzt vielleicht Ärger wegen Umweltverschmutzung kriege. Ich geb’s ja zu, es ist eine Sauerei, so ein Gerät einfach wegzuwerfen.«
»Es hat wohl nicht geklappt, was Sie vorhatten?«
»Nein, man kann so ein Ding nicht einfach in die Leitung hängen. Jedenfalls hab ich’s nicht hingekriegt.«
»Aber die Schaltuhr haben Sie noch?«
»Ja, aber um ehrlich zu sein, das ergibt keinen Sinn. Diese Dinger sind so groß und klobig, da kauf ich mir besser im Baumarkt eine kleine Schaltuhr, die in jede Steckdose reinpasst.«
So hatte sich das Häberle auch gedacht. »Aber Ihr Garten sieht gut aus«, lobte er. »Das haben Sie im Herbst alles machen können?«
»Glück gehabt«, grinste Speidel und seine Frau nickte. »Wir hatten zwar einen frühen Wintereinbruch, aber die wichtigsten Arbeiten hab ich noch geschafft.«
»Diese Steinmauer«, machte der Ermittler vorsichtig weiter, wohl wissend, dass Speidel möglicherweise schnell kombinieren würde, was die Frage sollte, »diese Steinmauer, die so geschwungen ist, die haben Sie selbst gesetzt?«
»Nicht ganz, um ehrlich zu sein. Wir haben einen Profi hinzugezogen. Der hat einen Vorschlag gemacht und die Steine geliefert. Sündhaft teuer, kann ich Ihnen sagen. Wollte immer noch mehr Geld haben. Deshalb hab ich’s dann selbst gemacht.«
Häberle bemerkte, wie sich der Blick der Frau versteinerte. »Aber Löcher bohrt mein Mann keine rein«, keifte sie energisch, ohne danach gefragt worden zu sein.
Häberle hatte damit nicht gerechnet und war deshalb für einen Moment konsterniert. Doch er konnte dies meisterhaft überspielen. Er lächelte und erwiderte: »Wenn ich das denken würde, hätte ich das Thema gar nicht angesprochen. Wir Kriminalisten neigen nämlich dazu, eher unauffällige Fragen zu stellen.«
Zufrieden war die Frau damit nicht, aber sie befeuchtete Zeigefinger und Daumen und blätterte in ihrem Magazin weiter.
»Natürlich interessiert es mich dienstlich«, fuhr Häberle fort, »denn bisher hab ich mich nie mit Gartenmauern befasst. Ist das vielleicht sogar Würzburger Muschelkalk?«
Speidel stützte seine Ellbogen an den Seitenlehnen des Sessels ab und legte sein Kinn auf die zusammengeballten Hände. »Sie werden lachen, Herr Kommissar, aber es ist tatsächlich Würzburger Muschelkalk. Nur wird Sie das nicht sonderlich weiterbringen, denn die meisten Trockenmauern, die derzeit hierzulande angelegt werden, sind aus Würzburger Muschelkalk. Der verwittert nicht so schnell, ist frostbeständig und somit viel, viel beständiger als unser Kalkstein von der Alb. Wir haben auch zuerst gedacht, nehmen wir doch heimisches Gestein – aber was nützt es Ihnen, wenn das langsam vor sich hinbröselt. Deshalb hat uns der Herr Kneisel den Würzburger Muschelkalk empfohlen.«
»Kneisel?«, wiederholte Häberle und sah die beiden an.
»Kneisel, ja«, bestätigte Speidel, »ein großer Gartenbaubetrieb.«
Häberle versuchte, sich den Namen einzuprägen. »Eine Firma aus der
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