Kurzschluss
Gegend?«, wollte er wissen.
»Breitingen, auf der Alb«, entgegnete Speidel. »Aber ich muss Sie gleich enttäuschen. Falls der Stein, mit dem Sie’s zu tun haben, auch Würzburger Muschelkalk ist, werden Sie sich schwer tun. Wie gesagt, den finden Sie überall. Den können Sie fast an jeder Ecke aus einem Garten klauen. Zumindest in den Neubaugebieten. Sie können im Vorbeigehen einen Stein unterm Arm mitnehmen.«
Das hatte Häberle insgeheim befürchtet. Er wartete ein paar Sekunden, um sich dann an Frau Speidel zu wenden: »Sie arbeiten in dieser Firma von Frau Büttner und haben den Zähler und die Schaltuhr besorgt.«
»Ja und?«
»Dann haben Sie ein relativ gutes Verhältnis zu ihr?«
Sie musterte ihn abschätzend. »Gutes Verhältnis? Das war einmal. Wissen Sie, man kann sich in einem Menschen täuschen, aber das werden Sie in Ihrem Job oft genug erleben.«
Er nickte. Wie recht diese Frau doch hatte. »Es ist also kein gutes Verhältnis.«
»Jetzt nicht mehr. In den ersten Wochen war’s das schon. Ich hab geglaubt, wir würden auf der gleichen Wellenlänge liegen, wenn Sie verstehen, was ich meine. Aber mittlerweile, das kann ich Ihnen sagen, weiß ich, dass sie eine Sklaventreiberin ist. Und seit Anfang des Jahres ist sie unausstehlich.« Sie machte eine abschätzige Handbewegung. »Aber seit wir wissen, dass sie von ihrem Alten weg ist, wundert mich das nicht. Muss den Frust rauslassen. Und wo kann sie das besser als bei denen, die von ihr abhängig sind?«
»Das bist du nicht«, fuhr Speidel dazwischen. »Das bist du nicht. Wir lassen uns nicht erpressen oder ausnutzen. Wir nicht.«
»Erpressen?«, staunte Häberle.
»Erpressen, ja«, wurde Speidel energisch. »Erpressen, weil dieses Weib meint, für uns sei es überlebenswichtig, dass meine Frau arbeitet. Man muss sich nicht in jedem Fall alles gefallen lassen – auch in diesen Zeiten nicht.«
Häberle musste ihm zustimmen. »Den Herrn Büttner kannten Sie aber nicht?«, fragte er vorsichtig nach.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, nie gesehen. Ich hab erst durch seine Frau erfahren – damals, anfangs, als man mit ihr noch reden konnte –, dass er beim Albwerk schafft. Das hat sie mir nur erzählt, weil ich aus Geislingen komm.« In ihrem Gesicht deutete sich ein Lächeln an, das aber sofort wieder verschwand.
»Sie sagten, ihr Verhalten habe sich verändert. Hat Frau Büttner in den letzten Wochen, wenn Sie mit ihr zu tun hatten, auch Äußerungen über ihren Mann gemacht?«
»Wir hatten in den letzten Wochen nichts mehr miteinander zu tun. Ich bin draußen im Donautal beschäftigt und nur gelegentlich ins Büro gekommen. Aber Kolleginnen haben mal erzählt, sie hätte ganz schön Stress mit ihrem Alten.«
»Ach?«, machte Häberle und beobachtete Arthur Speidel, der das Gespräch aufmerksam verfolgte und sich eine Zigarette anzündete. »Und womit haben Ihre Kolleginnen diese Annahme begründet?«
Sie schlug ihr Magazin zu. »Na ja, ich weiß nicht, ob ich das so sagen darf.« Sie sah Hilfe suchend zu ihrem Mann, der langsam nickte. Dann fasste sie sich ein Herz: »Die Frau Büttner soll mal gesagt haben, sie werde ihren Alten irgendwann an die Wand klatschen, dass er zur Hölle fährt.«
Der Kommissar prägte sich diesen Satz ein. An die Wand klatschen, dass er zur Hölle fährt. »Das hört sich nicht gerade nach einer harmonischen Ehe an, in der Tat«, erwiderte er. »Und hat man auch gesagt, was der Grund dafür sein könnte?«
»Gründe dafür könnte es mehrere geben – aber wissen Sie, Herr Kommissar, wenn ich Ihnen jetzt Gerüchte erzähle, bin ich womöglich mal dran wegen falschen Anschuldigungen oder wie das heißt.«
»Keine Sorge«, lächelte Häberle und schlug die Beine lässig übereinander. »Was wir hier reden, bleibt unter uns. Ich werde es als das bewerten, was es ist, nämlich ein Gerücht, wie Sie sagen.«
Arthur Speidel nickte, als wolle er damit seine Frau ermuntern, mehr zu erzählen. Dann zog er kräftig an seiner Zigarette.
»Na ja«, fuhr sie fort. »Es hat wohl vor einigen Monaten, möglicherweise im Dezember, so glauben meine Kolleginnen, einen kräftigen Krach gegeben zwischen den beiden. Was da genau war – ich weiß es nicht. Aber man munkelt«, sie senkte ihre Stimme, als wolle sie damit zum Ausdruck bringen, wie geheim das Folgende sein würde, »ja, man hat so Geschichten erzählt, sie vermittle nicht nur normale Arbeitskräfte, wenn Sie verstehen, was ich meine.« Wieder der Hilfe suchende
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