Kurzschluss
Verdolungen innerhalb des Stadtgebiets jämmerlich umkommen, weshalb ihnen gleich die Zwangsdeportation in den nächsten Ort sinnvoll erschienen war. Häberle überlegte, ob sie damit nicht eine Familie getrennt hatten.
»Sie beschäftigen sich damit?«, unterbrach Häberle die nachdenkliche Stille.
»Nur am Rande. Und auch nur, weil sie den Biber gleich da vorn irgendwo in einem Hinterhof eingefangen haben.« Er sah den Kommissar zweifelnd an. »Wenn Sie mehr dazu wissen wollen, fragen Sie am besten den Herrn Braun. Soweit ich mich an den Zeitungsbericht erinnere, war der an der ganzen Biberaktion beteiligt. Wieso interessiert Sie das eigentlich?«
»Nur so, weil Sie so dicht an der Rohrach wohnen. Hab mir gleich gedacht, dass Sie die Sache mit dem Biber mitgekriegt haben.« Er lächelte und verabschiedete sich.
25
Linkohr, inzwischen von Breitingen zurück, hatte sich vorgenommen, einen kleinen Abstecher zu Herbert Braun zu machen. Er rief während der Fahrt seine Kollegen in der Sonderkommission an, erbat Brauns Adresse und Telefonnummer, und hatte ihn anschließend gleich an der Strippe, um ihm zu sagen, dass er bald vorbeikommen wolle.
Das schmucke Einfamilienhäuschen der Brauns stand in einer ruhigen Wohnstraße im Nachbarort Kuchen. Linkohr parkte hinter einem Geländewagen, der entlang der Umfassungsmauer des Grundstücks abgestellt war. Nie zuvor war dem jungen Kriminalisten die Gestaltung von Vorgärten derart ins Auge gestochen wie seit gestern. Er überlegte, ob es sich bei den Mauersteinen um Würzburger Muschelkalk handelte. Jedenfalls waren sie nicht gemauert und nicht zementiert. Die Fachleute sprachen dann wohl von einer Trockenmauer.
Braun führte den Besucher in das rustikal eingerichtete Esszimmer. »Sie haben Glück, dass Sie mich noch angetroffen haben«, erklärte er und bot dem Kriminalisten einen Platz an. »Ich treffe mich nachher mit ein paar Rentnern, die mir beim Aufstellen der neuen Wanderschilder für den Albtraufgänger behilflich sind.«
Linkohr konnte mit dieser Bemerkung nichts anfangen, was Braun spürte und deshalb stolz erklärte: »Wir haben jetzt durchgängig am Albtrauf entlang einen Wanderweg ausgeschildert – von Aichelberg bis in die Böhmenkircher Gegend.«
Der Kriminalist kapierte: Der Weg war nicht für Draufgänger gedacht, sondern für Wanderer, die am Trauf entlang gehen konnten. Originell, stellte er insgeheim fest. Ihm fiel ein, dass sich Braun nicht nur um Naturschutz kümmerte, sondern auch um den Tourismus. Sicher keine leichte Aufgabe, beides unter einen Hut zu bringen.
»Darf ich Ihnen etwas anbieten?«, fragte Braun, doch Linkohr lehnte dankend ab. Er war eigentlich nur einer plötzlichen Eingebung gefolgt und damit einer Empfehlung Häberles nachgekommen, der die jungen Kollegen immer wieder aufforderte, sich nicht nur an den Akteninhalten zu orientieren, sondern an den Menschen.
»Haben Sie noch ein paar Fragen?«, drängte Braun auf Eile. Er hatte sich bereits eine leichte Windjacke angezogen, wohl um gegen den leichten Nieselregen gewappnet zu sein.
»Nur ein paar Dinge am Rande noch«, erklärte Linkohr. Er hatte sich während der Fahrt eine Strategie ausgedacht. »Wir können uns zur Bedeutung dieses Weiherwiesensees noch kein richtiges Bild verschaffen. So sehr bekannt ist er ja wohl nicht.«
»Da haben Sie recht. Während der Vegetationszeit sieht man ihn von der Straße aus nicht – und auch im Winter fällt er kaum auf. Aber vielleicht wissen Sie, dass ihn die Stadt Geislingen sogar auf der Vorderansicht des Stadtprospekts verewigt hatte. Zehn Jahre lang. Erst seit einigen Wochen gibt es einen neuen.«
Linkohr kannte die Broschüre nicht. »Die Stadt hat mit diesem See geworben?«, hakte er ungläubig nach.
»Ja, als ob man hier baden oder Boot fahren könnte«, schmunzelte Braun. »Wahrscheinlich sind sogar mal ein paar Auswärtige mit ihren Bootsanhängern hergekommen, wer weiß. Aber vielleicht verstehen wir beide das auch gar nicht. Die Marketingfritzen haben manchmal seltsame Ideen.« Braun zog seine Mundwinkel nach unten. »Denn jetzt sind sie ins andere Extrem verfallen und bilden auf dem neuen Stadtprospekt diesen komischen Handtuchhalter ab.«
In diesem Fall wusste Linkohr Bescheid. Der Volksmund bezeichnete das seltsame, drei Stockwerk hohe Metallgestell, dessen Sinn sich niemandem wirklich erschloss, seines Aussehens wegen als gigantischen Handtuchhalter. Linkohr hatte schon oft, wenn er an dem Verkehrsknoten Sternplatz
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