Kurzschluss
vorausgesetzt, sie entsteht aus erneuerbaren Quellen, also aus Wasser, Wind und Sonne. Sie produziert keine Abgase und keine radioaktiven Rückstände. Also schonen wir damit die Natur. Und Strom, Herr Linkohr, der Hunger nach Strom wird auf dieser Welt in den nächsten Jahren explosionsartig steigen.«
»Immerhin hat die EU die Abschaffung der Glühbirne beschlossen«, merkte Linkohr spöttisch an.
»Ein Tropfen auf den heißen Stein«, räumte Braun ein. »Wenn die Weltwirtschaftskrise etwas Positives bewirkt hat, dann ein Umdenken in der Automobilindustrie. Das meine ich mit dem Stromhunger. Denn plötzlich zaubert man Pläne für Elektroautos aus der Schublade. Daimler mit einem amerikanischen Hersteller von Super-Akkus, so hab ich’s gelesen. Die haben doch alle längst daran geforscht. Wenn nicht, dann wären sie wirklich mit Dummheit geschlagen gewesen, wie man so schön sagt.« Die beiden Männer waren an der Haustür angelangt. »Aber man hat versucht, die alte Verbrennungsmotorentechnik so lange wie möglich hinzuziehen – im Gleichschritt mit der Öllobby, die natürlich spekuliert, dass mit der Verknappung der Ölvorräte der Preis in die Höhe geschraubt werden kann. Aber ich sag Ihnen, Herr Linkohr, die Wende steht bevor. Sogar die Strommultis wollen sich mit riesigen Fotovoltaik-Anlagen in der Sahara engagieren – und die Windkraft wird an allen Küsten von Atlantik und Nordsee erheblich zunehmen, das können Sie mir glauben.«
Der Kriminalist ließ sich die Tür öffnen, worauf ihm ein kühler Luftschwall ins Gesicht blies. »Na ja«, zeigte er sich zweifelnd, »ob das mit den Elektroautos so schnell geht, da bin ich nicht ganz so optimistisch wie Sie.«
»Sie sollten eines nicht übersehen, auch die Stromlobby lässt nicht mit sich spaßen.«
Linkohr nahm diese Äußerung zur Kenntnis. Ganz nach Art seines Chefs hatte er sich aber die wichtigste Frage bis zum Schluss aufgehoben, um sie eher beiläufig zu stellen: »Irgendwo habe ich gelesen, dass Sie meinen Kollegen erzählt haben, Sie seien kürzlich im Urlaub gewesen.« Linkohr sah ihn nicht an, sondern ließ seinen Blick durch den schmalen Vorgarten streifen, in dem viele Stauden dicht beieinander gepflanzt waren.
»Ein bisschen was muss man sich gönnen«, erwiderte Braun. »Wir waren im Norden. Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Teilweise günstige Preise für den Urlaub, und die Landschaft größtenteils noch naturbelassen, wie kaum eine andere Ecke hier.«
»Ja«, gab sich Linkohr informiert, »und es gibt Ortsnamen, die haben wir Wessis hier unten im Süden noch nie gehört. Schwarze Pumpe heißt ein Ort, hab ich mal gelesen. Oder Malchow und Mirow.«
»Genau – Mirow«, kam die von Linkohr erwartete Reaktion. »Wir waren in Mirow; eine ganz tolle Ecke, kann ich Ihnen sagen. Ausgangspunkt für eine Schifffahrt durch die Seenplatte. Durch einen kleinen Teil halt.«
Linkohr drehte sich wieder zu ihm um. »Da waren Sie jetzt erst?«
»Anfang Juni, ja. Es war herrlich, den frühen Sommer dort zu erleben.«
Linkohr hatte genug gehört. Er bedankte sich und machte sich auf den Weg zur Sonderkommission.
26
Und auch an diesem Dienstagvormittag, an dem das Wohnmobil mit Georg und Doris an Bord den Bereich Bergen in Richtung Nordosten verlassen hatte, um das Gletschergebiet anzusteuern, war die Mini-Digital-Videokassette, wie sie Sanders alter Kamerarekorder benötigte, an dem sicheren Ort oberhalb der Fahrerkabine verwahrt.
Sander ertappte sich dabei, mehr als je zuvor auf den nachfolgenden Verkehr zu achten. Welch ein Unsinn, ermahnte ihn eine innere Stimme. Wer würde ihnen hier schon folgen? Ihnen, den Wohnmobil-Touristen, die nichts anderes wollten wie Tausende andere, die auf denselben, vor allem aber auf den meist einzigen Straßen fuhren.
Es war eine lange Etappe gewesen. Doris hatte den CD-Player leiser gestellt und über Gott und die Welt geredet. Die Landkarte lag auf ihren Knien, draußen verwandelte sich die Fjordlandschaft in eine karge und raue Hochebene, auf der, zwischen Oppheim und Vikøyri, vereinzelt noch Schnee lag.
Sander gab sich Mühe, den Erzählungen seiner Partnerin zu folgen. Denn seit er die Nachricht seines Kollegen Rahn gelesen hatte, drehten sich seine Gedanken nur um den Mord im fernen Geislingen. Wieso war Rahn auch nicht auf Details eingegangen?
»Halt bitte mal an«, befreite ihn Doris’ Stimme aus der Grübelei.
»Wie?«
»Ich hab Hunger«, sagte sie, um vorwurfsvoll anzumerken: »Hörst
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