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Kurzschluss

Kurzschluss

Titel: Kurzschluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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du mir überhaupt zu?«
    Er versicherte ein wenig zu hastig, dass er alles gehört habe, verlangsamte das Tempo und bog nach links zu einem Picknickplatz ab. Ein nachfolgendes Wohnmobil fuhr vorbei und verlor sich schnell in der kargen Hochebene hinter kleinen Felsformationen. Er parkte das Fahrzeug leicht schräg, damit sie vom Fenster des Wohnraums aus auf einen nahen, tiefblauen Stausee sehen konnten.
    Sie waren über Dale und Voss gekommen und zwischen Vangsnes und Hella über den Sognefjord geschippert, dem größten Norwegens überhaupt. Während Doris sich über Töpfe und Geschirr hermachte, sog Sander draußen die frische Luft in sich ein. Er war müde und sehnte das Tagesziel herbei – das Gletschergebiet des Jostedalsbreen.
    Das weiße Auto, das in den Parkplatz einbog, hatte er zunächst gar nicht bemerkt. Es war ein Mittelklassewagen mit Ludwigshafener Kennzeichen. Wieder ein Deutscher, durchzuckte es ihn – und er musste unweigerlich an seine Videokassette denken.
    Wären sie nicht in einem nordischen Land gewesen, wo die Welt noch weitgehend in Ordnung schien, hätte er das Wohnmobil in so gottverlassener Gegend nicht einfach an den Straßenrand gestellt. Jetzt musterte er den jungen Mann, der dem Ford entstieg, ein paar entspannende Armbewegungen machte und gleich auf ihn zukam.
    Sander lächelte und ging ihm lässig entgegen. Nach einem freundlichen »Hallo« begann der knapp 30-Jährige, sein Leid über das norwegische Mautsystem zu klagen, hinter dem er keine Logik erkenne. Insbesondere für die Einfahrt in größere Städte müsse man sich offenbar erfassen lassen. Sander sah den schlanken, groß gewachsenen Mann skeptisch von der Seite an und erklärte, dass sie bisher die großen Städte gemieden hätten. Doris hatte den Vorhang am Küchenblock leicht zur Seite geschoben. Sander verschränkte die Arme und fröstelte. »Und Sie«, fragte er den jungen Mann, » was haben Sie für ein Ziel?«
    »Kristiansund«, erwiderte der andere. »Ein Wasserkraftwerk. Ich bin auf der Suche nach einem Job.«
    Sander musterte den Fremden genauer. Hatte er ihn schon einmal gesehen? »Einfach so? Auf Jobsuche?«, wiederholte er.
    »Habe einen Cousin in Stavanger, der mir hilft. Ich bin Ingenieur und versuche, hier oben was Neues zu machen.«
    »Und Sie?«, fragte der junge Mann plötzlich, während Doris die hintere Tür des Wohnmobils öffnete und grüßte.
    Sander verstand nicht so recht. »Wir? Ach so, ja. Wir fahren bis zum Geirangerfjord und dann wieder zurück.«
    »Nicht zum Nordkap?« Die Frage ging beinahe im Motorengeräusch dreier Wohnmobile unter.
    »Nein«, sagte Sander und fühlte sich irgendwie unwohl. Er trat drei, vier Schritte zurück, eher beiläufig, doch er wollte einen Blick auf das Kennzeichen des weißen Fords werfen, um es sich einzuprägen – für alle Fälle. »Uns fehlt dazu leider die Zeit«, fuhr er leicht abgelenkt fort.
    »Das sollten Sie aber unbedingt tun, gerade jetzt, zur Sommersonnenwende.«
    Sander nickte, als ihm Doris ungeduldig signalisierte, dass der Kaffee fertig war. »Dann viel Erfolg bei der Jobsuche«, rief er dem jungen Mann zu, ließ ihn stehen und verschwand im Wohnmobil. Er warf die Tür hinter sich zu und verriegelte sie von innen.
    »Wieso schließt du uns ein?«, fragte Doris verwundert und nahm an dem gedeckten Tisch Platz.
    »Man kann nie wissen«, erwiderte Georg, setzte sich ebenfalls und beobachtete den Mann durch die Windschutzscheibe. Der joggte zweimal über den Parkplatz, stieg wieder in sein Auto und fuhr davon.
    »Was hat der eigentlich von dir gewollt?«, fragte Doris. Sie packte zwei Stückchen Kuchen aus, die sie heute früh in einem Supermarkt gekauft hatte.
    »Wie?« Sander war bereits wieder in Gedanken. »Eigentlich nichts.«
     
    *
     
    Es gab Pizza-Schnitten und entsprechend roch es auch. Häberle hatte einen italienischen Lieferservice beauftragt, um seine Mannschaft zu versorgen. Denn die meisten der Kollegen verzichteten an solchen Tagen auf eine Mittagspause. Während sie sich zwischen Bildschirmen, Akten und Notizzetteln über die Pizzen hermachten, im Stehen oder Sitzen aßen, lehnte sich der Chefermittler an einen Fenstersims und berichtete von seinem Gespräch mit Frau Büttner – vor allem aber, dass sie nur die Filme zum Thema Strombranche erwähnt hatte, die ihr Mann gedreht hatte. »Entweder«, so resümierte Häberle und schob sich ein dickes Stück Pizza in den Mund, »sie hat davon tatsächlich nichts gewusst oder sie hat

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