Kurzschluss
Und ich habe bereits zugestimmt, dass Büttners Arbeitsplatz samt Computer überprüft werden darf. Davon habe ich den Betriebsrat in Kenntnis gesetzt, rein vorsorglich.« Bodling sah in ausdruckslose Gesichter. »Und Sie, meine Herren, sind ebenso angehalten, alle Angaben zu machen, ohne Wenn und Aber. Wir wollen auch in diesem Fall nach außen hin dokumentieren, dass wir ein seriöses Unternehmen sind und uns ganz deutlich von anderen abheben.«
Nach einer kurzen Pause, während der er seinen Füllfederhalter in den Händen drehte, fügte er energisch hinzu: »In diesem Hause gibt es keine Mauscheleien oder Dinge, die man unter den Teppich kehrt. Ich hoffe, wir haben uns verstanden.«
So deutlich hatten sie ihren Chef noch nie sprechen hören. Während sie das Büro verließen, sagte Bodling wie zu sich selbst: »Und jetzt will ich aber wissen, was mit Frau Rothfuß los ist.«
31
Ingo Frederiksen war der große Blonde aus dem Norden, wie man ihn sich vorstellte. Er und seine Frau Lea hatten am gestrigen Dienstagabend den Flieger von Oslo über Düsseldorf nach Stuttgart genommen und sich mit dem Taxi nach Geislingen bringen lassen. Die Nacht im Hotel Krone verlief für beide traumlos, denn die Ereignisse der vergangenen Tage hatten sie an den Rand der Erschöpfung gebracht. Ingo war von heftigen Vorwürfen geplagt, die er sich selbst machte und über die er mit Lea nicht sprechen wollte. Ein Glück, dass sie während des Interviews mit Sander nicht anwesend gewesen war. Sie wusste zwar, dass er sich mit ihm über heikle Themen unterhalten hatte, doch deren Brisanz war ihr nicht klar geworden. Im Moment war es auch besser, nicht darüber zu reden, entschied Frederiksen. Er wollte sie nicht unnötig beunruhigen. Außerdem musste das Interview mit dem Fall gar nichts zu tun haben. Dieser Sander war noch in Norwegen unterwegs und hätte es frühestens in zwei Wochen nach seiner Rückkehr Büttner übergeben können. Vermutlich wusste der Journalist gar nicht, was sich mittlerweile in Geislingen zugetragen hatte. Letztlich wollte Ingo es Sander überlassen, das Videomaterial auszuwerten. Dazu bedurfte es nicht seines eigenen Zutuns – schon gar nicht, wenn dadurch möglicherweise seine weitere Karriere in der Energiebranche auf dem Spiel stand.
Ursprünglich war geplant gewesen, auch die beiden Kinder mit nach Deutschland zu nehmen, doch dann hatte sich ein befreundetes Ehepaar bereit erklärt, sie in Obhut zu nehmen. Lea hätte die beiden zwar gerne dabei gehabt, aber Ingo hielt es für nicht angebracht, sie mit dem Verbrechen am Großvater und der Beerdigung zu belasten.
Ingo Frederiksen hatte vom Hotel aus mit der Kriminalpolizei telefoniert und um einen Termin gebeten, den Häberle dem Ehepaar sofort gewährte.
Der Chefermittler bat die beiden Besucher in sein kleines Büro, ließ ihnen Kaffee servieren und führte zunächst, wie es seine Art war, ein allgemeines Gespräch, um behutsam auf den Grund des Zusammentreffens zu kommen.
Lea Frederiksen, die zu leichtem Übergewicht neigte, wirkte nervös und hatte gerötete Augen. »Mein Vater hat niemandem etwas getan«, kämpfte sie mit den Tränen, während Ingo ihre linke Hand ergriff, um sie zu drücken.
»Hat er auch nicht, ganz sicher nicht«, beruhigte Häberle sie, obwohl er sich eingestehen musste, dies nur so dahinzusagen. Was Büttner tatsächlich getan hatte, welche seltsame Geschäfte er getätigt hatte, das vermochte er in Wirklichkeit nicht zu bewerten.
»Leas Vater hat bei keinem der Telefongespräche jemals etwas gesagt, das uns beunruhigt hat«, erklärte Frederiksen.
»Wir haben zuletzt am Samstag vorletzter Woche etwas von ihm gehört – und danach hat er sich nicht mehr gemeldet«, ergänzte Lea, deren graues Kleid zu ihrer tief traurigen Stimmung passte. »Er hat gesagt, dass er nach Leipzig reisen werde, um an einem Seminar der Strombörse teilzunehmen. Von Montag bis Mittwoch letzter Woche.«
»Haben Sie erfahren, ob er dort war?«, fragte Frederiksen langsam.
»Ja, da war er«, bestätigte Häberle ruhig und wandte sich an die Frau: »Wie oft haben Sie mit Ihrem Vater üblicherweise Kontakt gehabt?«
»Alle zwei Tage, mindestens. Seit er allein gewohnt hat, war ihm sehr viel daran gelegen, mit mir zu reden.«
»Das war vorher anders?«
»Da hat er das nicht so gebraucht. Wenn man zu zweit ist, ist das anders …«
»Ihr Vater hat sich beruflich sehr engagiert?«
»Ja, und mein Schwiegervater«, antwortete Frederiksen kühl,
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