Kurzschluss
alles über Ihren Vater wissen sollten. Die Auswertung eines Teils seiner Computerdaten hat ein paar Dinge erbracht, die nicht nur mit der Strombranche zu tun haben.«
Sie trank einen Schluck Kaffee und sah Hilfe suchend zu Ingo. Der holte tief Luft und erklärte: »Sehr viel wissen wir darüber nicht. Lea hat nur in Gesprächen mit ihrer Mutter erfahren, dass es auch anderes gegeben hat.«
Sie zögerte. »Er hat wohl nicht nur Filme über die Strombranche gemacht, wie Mutti mal angedeutet hat.«
Ihr Mann Ingo versuchte, die peinliche Situation zu retten: »Er soll ein paar Videos mit Models gedreht haben.«
»Models«, wiederholte Häberle überrascht.
»Ja, Models – für irgendwelche Agenturen.«
»Er hatte sich in den Kopf gesetzt, mit solchen Filmen nebenher Geld verdienen zu können«, beeilte sich Lea zu sagen. »Seit er allein war, hat er sich in sein Hobby vertieft. Sie werden ja, wie ich denke, seine technische Einrichtung gesehen haben.«
Häberle nickte, entschied sich aber, keine weiteren Details über den Besuch in Büttners Haus zu schildern, sondern das Thema zu wechseln: »Wie war denn das Verhältnis Ihrer Eltern nach deren Trennung zueinander?«
»Gespannt«, erwiderte die Frau schnell. »Die Trennung hat sich schon lange angebahnt. Nicht wegen einer Affäre oder so. Nein. Es hat sicher unter anderem daran gelegen, dass ich mit Ingo nach Norwegen gegangen bin.« Sie blickte ihren Mann an. »Wir haben uns kennengelernt, als Mutti und ich zu einer Tagung nach Rostock mitdurften und Ingo auch dort war.«
Ihr Mann lächelte sie an.
»Als wir weg waren«, fuhr Lea fort, »da hat es in der Ehe meiner Eltern einen Bruch gegeben. Plötzlich waren sie allein. Mutti hat sich selbstständig gemacht, Vati hat mit seiner Filmerei angefangen – und das war auch die Zeit, als sich jeder in eine andere Richtung weiterentwickelt hat. Die unterschiedlichen Auffassungen zu Politik und Gesellschaft brachen auf. Sie können sich vorstellen, dass seine antikapitalistische Einstellung, wenn ich das mal so sagen darf, nicht gerade zum Unternehmertum meiner Mutti gepasst hat.«
Häberle hatte sich dies bereits gedacht. »Erlauben Sie bitte, dass ich noch ein paar andere Fragen stelle, die für uns von Bedeutung sind«, gab er sich betont höflich und wandte sich an den Mann: »Sagt Ihnen der Name Mariotti etwas – Henry Mariotti?«
Frederiksen zögerte. »Mariotti? Natürlich. Henry Mariotti war ein Bekannter von meinem Schwiegervater. Bekannter oder sogar ein guter Freund. Er hat viel von ihm erzählt.«
»Und was zum Beispiel?«
»Dass sie zusammen Filme drehen und dass sie sich gegenseitig beim Sammeln von Informationen behilflich sind. Mariotti hatte direkten Zugang zu …« Er stockte und war sich unsicher, ob er darüber sprechen durfte. »Was ist mit Mariotti?«
Häberle ließ sich nicht darauf ein. »Er hatte direkten Zugang – wozu?«
Frederiksen sah Lea an, die ihm zunickte. »Nun«, sagte er langsam. »Soweit ich weiß, hatte Mariotti Zugang zu den ganzen Orders an der Strombörse. Wer wie viel ordert, Optionen reserviert – oder wie das auch immer funktioniert. Wissen Sie, ich bin nur ein kleiner Ingenieur in einem Wasserkraftwerk.«
Häberle wollte jetzt nicht tiefer in die Materie einsteigen. Es gab sicher morgen oder übermorgen, wenn es sein musste, Gelegenheit, die beiden detaillierter vernehmen zu lassen.
»Es sind seit Montag schon viele Namen genannt worden«, fuhr er deshalb fort. »Auch eine Dame spielt eine gewisse Rolle.« Häberle musste auf seinem Notizblock nachschauen. Dort hatte er den Namen vorsorglich notiert. »Verena Vogelsang-Klarsfeld.«
Bei der Nennung des Namens glaubte er, ein Zucken in Frederiksens Gesicht wahrgenommen zu haben.
»Frau Vogelsang-Klarsfeld«, wiederholte Frederiksen so schnell, dass anzunehmen war, ihm sei der Name nicht das erste Mal untergekommen. »Die Vorstandsvorsitzende von Estromag. Den Namen kennt in der Branche jeder, in halb Europa.«
»Mir persönlich war er nicht geläufig«, gab Häberle zu. »Deshalb würde mich interessieren, wie die Dame in dieses Beziehungsgeflecht zwischen Strombörse, Albwerk, Büttner, Mariotti und Ihrem Wasserkraftwerk eingebunden ist – oder auch nicht.«
Er zuckte mit den Schultern und knöpfte sein dunkles Jackett auf, weil es ihm heiß geworden war. »Ob es da ein Beziehungsgeflecht gibt, weiß ich nicht. Aber gewiss ein Netzwerk, wie man heutzutage sagt. Aber Frau Vogelsang-Klarsfeld«, er verzog
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