Kuss der Ewigkeit
Einzelgänger hatte Candice in einer Bar aufgelesen, also gab es immer noch eine Chance…
Wir marschierten in grimmigem Schweigen dahin.
» Hier«, sagte Nathanial und riss die Tür der ersten Bar auf, die der Mann uns genannt hatte. Die Tür krachte, als eine der Angeln brach.
Ich zog eine Grimasse, doch Nathanial stürmte ins Gebäude, ohne den Schaden zu überprüfen. Zum Glück überdeckte die Country-Musik, die im Innern der Bar schmetterte, das Geräusch, sodass die Gäste nichts davon bemerkten.
Drei Frauen saßen vor einer verschrammten Bar, bunte Drinks in den Händen. Sie beobachteten eine Gruppe von Männern, die sich um einen ausgeblichenen und geflickten Billardtisch versammelt hatten. Aufmerksam musterte ich die Gesichter der Männer, doch keines von ihnen passte entweder auf meine oder Candice’ Erinnerung an den Einzelgänger. Keine weiteren Gäste. Keine Witterung eines Stadt-Shifters.
Eine abgehakt, noch zwei, auf die wir hoffen konnten.
Wir gingen wieder hinaus, und die Tür quietschte hinter uns. Sie hing schief in den Angeln und ließ sich nicht mehr schließen. Nathanial wandte sich wortlos ab und steuerte auf die nächste Adresse zu.
Bobby überprüfte jede Gasse, an der wir vorbeikamen. Ich holte Nathanial ein. » Ich kenne dich zwar noch nicht so gut, aber in den letzten Nächten warst du der Inbegriff der Geduld. In den letzten paar Stunden hast du dich verändert.«
» Es ist leicht, geduldig zu sein, wenn man unsterblich ist, aber heute Nacht fühle ich, wie der Tod die Hände nach mir ausstreckt.« Seine Finger strichen mir durchs Haar. Ich zuckte zurück, und er ließ die Hand sinken, ohne seinen Schritt zu verändern.
» Außerdem bist du nicht geduldig, und in meinem Kopf kreisen immer noch deine Erinnerungen.«
» Genauso wie die von allen anderen, von denen du dich jemals ernährt hast.«
Nathanial schüttelte den Kopf. » Das ist nicht dasselbe. Ein Mensch kann innerhalb von Minuten völlig ausgeblutet werden. Das ist nicht genug Zeit, um ein ganzes Leben von Gedanken und Erinnerungen in sich aufzunehmen. Es hat über drei Stunden gedauert, dich zu verwandeln. Ich durchlebte deine Erinnerungen Dutzende Male mit dir. Auf gewisse Weise kenne ich dich beinahe so gut wie mich selbst. Was sind wir denn schon außer der Gesamtheit unserer Erfahrungen? Nimm dazu noch die Tatsache, dass ich durch den Blutbund, den wir miteinander eingegangen sind, einen Hauch deiner Gefühle spüren kann, dann reagiere ich manchmal, wenn etwas passiert, eher so, wie du es tun würdest.«
» Das ist wirklich beängstigend.«
» Ja, das ist es.«
Erneut senkte sich drückende Stille auf uns herab. Ich hatte nicht gewusst, dass er meine Gefühle spüren konnte. Dieses Wissen stellte einen völlig neuen Grad der Verletzung meiner Privatsphäre dar, doch ich würde mir über die Tatsache, dass er mein Gefühlsbarometer lesen konnte, später Gedanken machen müssen. Wir erreichten die zweite Bar.
Eine weitere Pleite.
Nur noch eine übrig. Ich könnte wirklich einen Glücksstern gebrauchen. Ich blickte nach oben. Wahrscheinlicher würde ich Schneeflocken bekommen.
Nathanial ging schneller. Ich musste ohnehin bereits drei für jeden seiner Schritte machen; wenn er sein Tempo weiter so steigerte, würde ich bald hinter ihm hertraben müssen.
» Du hast dich auch verändert«, meinte er, als er einen Blick über seine Schulter warf und mich mit grauen Augen fixierte. » Seit Candice’ Erinnerung. Ich kann dein Schuldgefühl spüren, aber du bist auch entschlossener.«
Hitze flutete in mein Gesicht, doch ich zwang mich, seinem Blick standzuhalten. » Halt dich aus meinem Kopf raus.«
Er blieb stehen, und Bobby wäre beinahe gegen seinen Rücken geprallt, bevor Nathanial zur Seite ging. » Ist der Einzelgänger einer der Männer, die dich angegriffen haben? Einer, bei dem du deine Klauen benutzt hast?«, fragte Nathanial.
Ich stolperte über meine eigenen Füße. Er wusste es.
» Wovon redet er?«, wollte Bobby wissen.
Ich öffnete den Mund, doch es kamen keine Worte aus meiner wie zugeschnürten Kehle. Kein Geständnis.
» Angreifer?« Bobby beobachtete mich aufmerksam und sah dabei mehr in meiner Miene, als ich ihn sehen lassen wollte. » Wenn du dich verteidigt und dabei deine Krallen ausgefahren hast… Aber du hast dich nicht verwandelt?«
Ich schüttelte den Kopf, ohne hochzublicken.
Einen langen Augenblick lang blieb Bobby stumm. » Bist du dir sicher, dass du den Einzelgänger
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