Kuss der Ewigkeit
Neda seufzte. » Nun, wenn du sie nicht willst, Küken, dann nehm ich sie. Niemand kauft Mama Neda je was.« Sie zog einen roten Strickpullover aus der Tüte und drückte ihn an ihre hängenden Brüste. Er passte nicht im Geringsten zu ihrem geblümten Sommerkleid.
» Aber ich habe dir etwas mitgebracht, um dir zu danken, Mama Neda.« Nathanial hielt ihr eine kleine Pappschachtel hin.
Sie schnappte sie und riss den Deckel herunter. Darin befand sich ein überaus scheußliches Armband mit großen, leuchtend orangefarbenen und hellblauen Plastiksteinen. Mama Neda legte es sich ums Handgelenk und untersuchte es eingehend.
» Oh, das gefällt mir! Mama Neda war ziemlich besorgt, dass der Eremit nicht wissen würde, dass er sie für ihre Hilfe entlohnen sollte.«
Während Mama Neda abgelenkt war, schnappte ich mir die Kleider, die sie auf der Matratze vergessen hatte. Keine Unterwäsche in der Tüte, doch ich wollte nicht pingelig sein. Die Jeans war schnell angezogen und passte überraschenderweise gut. Der Pullover stellte ein größeres Problem dar. Ich musste ihn erst über den Kopf ziehen und einen Arm durch den Ärmel stecken, bevor mir klar wurde, dass die Kette mich daran hinderte, ihn ganz anzuziehen.
Eine Hand legte sich um meinen Arm, und ich fuhr erschrocken zusammen. Vergeblich versuchte ich, Nathanials Griff zu entkommen. Stirnrunzelnd sah er mich an, und ich erkannte, dass er versuchte, die Handschelle zu öffnen. Es kostete mich Mühe stillzuhalten. Erleichterung ergriff mich, als die Kette rasselnd zu Boden fiel.
Mama Neda blickte hoch. » Vertraust du ihr schon, Eremit?«
» Sie muss sich etwas anziehen.«
Mama Neda stand zwischen mir und der Tür, die offen stand. Ich fragte mich, ob ich es schaffen könnte abzuhauen, ohne dass einer von den beiden mich daran hinderte. Nathanial war zu nahe. Wenn ich losstürmte, bräuchte er nur die Hand auszustrecken, um mich aufzuhalten.
Ich starrte zu Boden. » Was geschieht jetzt?«
» Das hängt ganz allein von dir ab, Küken. Mama Neda hat ihren Teil erledigt.« Sie legte sich das hässliche Armband um das andere Handgelenk. » Eremit, du kannst diesen Raum so lange benutzen, wie du ihn brauchst, aber ich schlage vor, dass du sie vor den Rat bringst, sobald sie bereit ist.« Sie trat näher an Nathanial heran und legte ihm die Hand an die Wange.
Bei der unangenehm intimen Geste zuckte er leicht zusammen. Anscheinend war ich nicht die Einzige, die sich vor der alten Frau fürchtete.
» Ein kleiner Rat von Mama Neda: Gib ihr etwas von dir ab, bevor du sie hinausbringst. Tschau-tschau!« Mit diesen Worten schlenderte sie aus dem Raum und schloss die Tür.
Ich horchte darauf, dass der Riegel einrastete, doch es folgte nur Stille. Argwöhnisch wich ich vor Nathanial zurück und versuchte dabei, gleichzeitig ihn und die Tür im Auge zu behalten. » Was geht hier vor? Was wollen Sie von mir?«
Zuerst sagte er nichts, dann hielt er mir die zweite Tüte hin, die er bei sich trug. » Hier. Die Schuhe, die du anhattest, als ich dich fand. Und der Mantel, der in der Nähe lag, auch.« Seine Mundwinkel verzogen sich nach unten. » Ihn in die Reinigung zu geben hat dem Mantel nicht viel genützt, aber ich dachte, du würdest ihn gerne wiederhaben. Etwas Vertrautes. Die anderen Kleidungsstücke habe ich weggeworfen. Sie waren ruiniert.«
Ich sah die Tüte an, griff aber nicht danach. So dumm war ich nicht. Das wäre geradezu eine Einladung für ihn, mich zu schnappen und mir die Kette wieder anzulegen. Er stellte die Tüte ab, langsam, als fürchte er, mir dadurch Angst einzujagen. Na, dazu war es viel zu spät!
Nathanial trat einen Schritt vorwärts, die Hände flach vor sich ausgestreckt. Wollte er damit ausdrücken, dass er aufgab oder dass er harmlos war? Beides glaubte ich nicht eine Sekunde lang. Ich wich zurück, und die raue Steinmauer drückte sich in meinen Rücken. Da ich nicht weiter zurück konnte und Nathanial immer noch auf mich zukam, warf ich einen Blick zur Tür und brach aus.
Er fing mich noch vor meinem zweiten Schritt. Ich schlug ihn so hart ich konnte, doch trotz seiner schmächtigen Statur zuckte er nicht einmal zusammen. Okay, er war beträchtlich stärker, als er aussah. Ungerührt packte er mit jeder Hand eines meiner Handgelenke. Ich versuchte, mich aus seinem Griff zu winden, doch als wäre ich nichts weiter als eine Stoffpuppe, drehte er mich um, sodass meine Arme vor der Brust verschränkt waren, und presste mich, den Rücken an
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