Kuss der Ewigkeit
ich mich verwandelte; meine Hand würde herausrutschen, sobald sie zu einer Pfote wurde. Die Verwandlung würde außerdem meine Wunden durch den Kampf mit dem Streuner heilen. Als ich mich wieder an das widerliche Knacken erinnerte, das mein Knie von sich gegeben hatte, bevor ich ohnmächtig geworden war, warf ich einen Blick nach unten und stellte fest, dass ich es ohne Schmerzen bewegen konnte.
Eigenartig. Ich hatte nicht einen Kratzer am Leib. Nicht dass die Tatsache, dass ich mich in einem besseren Zustand als erwartet befand, etwas war, worüber ich mich aufregen müsste. Ich konnte mir später darüber den Kopf zerbrechen, sobald ich aus diesem Keller und fort aus dieser verfluchten Stadt war.
Ich lauschte nach Mama Nedas verhallenden Schritten, doch das einzige Geräusch, das ich hören konnte, war entfernter Straßenverkehr. Sie hatte die Tür hinter sich nicht geschlossen, sodass die Treppe dahinter zu sehen war. Ein einzelner Lichtstreifen erhellte eine Tür am oberen Ende der Stufen. Mama Neda hatte ein Sommerkleid getragen, was bei diesem Wetter lächerlich war, deshalb musste die Treppe in ein beheiztes Gebäude führen. Sie könnte diese Tür ebenfalls unverschlossen gelassen haben. Unvorsichtig von ihr, aber gut für mich.
Nun, niemand wusste, wie lange sie fort sein würde, deshalb war keine Zeit zu verlieren. In meinem Innersten rief ich meine Katze, um die Gestalt zu wechseln, und fand… nichts.
Weder ein Streicheln von emporsteigendem Fell noch ein Gefühl des Erwachens, nichts als wachsende Angst antwortete auf meinen Ruf. Ein Teil von mir hieß diese Angst mit einem Stich der Erleichterung willkommen; wenn ich nur genug in Panik geriet, würde ich mich instinktiv verwandeln. Dennoch blieb mein Körper unversehrt. In der Vergangenheit war es mir schon mehrmals nicht gelungen, mich auf Kommando zu verwandeln, doch während ich es versuchte, hatte ich immer irgendetwas gespürt.
Ich suchte stärker, und schließlich spürte ich die Energie in mir, doch sie war hart, kalt. Nicht möglich. Ich drängte stärker, doch alles, was ich fand, war eine tote Energiespirale, wo meine Katze sein sollte. Ein Schauer lief mir den Rücken entlang. Das musste irgendwie die Wirkung einer weiteren Droge oder dieses Ortes sein. Ich glitt von der Matratze, platzierte meine Füße links und rechts von der Kette, packte sie mit beiden Händen und zog mit aller Kraft. Sie gab keinen Zentimeter nach. Okay, ich brauchte ein Werkzeug oder… Fieberhaft spähte ich umher, sah jedoch nichts, womit ich die Kette sprengen konnte. Die Handschelle mit Spucke einzureiben erwies sich als nutzlos, sie würde nicht abgehen. Zumindest nicht mit heiler Hand.
Ich hielt inne und starrte auf mein Handgelenk.
Wenn es mir gelang, aus diesem Keller herauszukommen, könnte ich herausfinden, was mich davon abhielt, meine Katze zu finden. Angestrengt versuchte ich, einen klaren Gedanken zu fassen. Ich würde mir nicht wirklich die Hand abreißen müssen, nur brechen, damit ich sie aus der Handschelle ziehen konnte. Meine Hand würde heilen, sobald ich mich verwandelte. Bei dem Gedanken krampfte sich mir der Magen zusammen, doch ich rief mir in Erinnerung, dass ich keine Ahnung hatte, was meine Kidnapper mit mir vorhatten. Mit nur einer gebrochenen Hand zu entkommen wäre möglicherweise ein geringer Preis im Vergleich zu dem, was geschehen könnte, wenn ich blieb. Ich legte die linke Hand um meine rechte und schloss die Augen. Ein tiefer, langer Atemzug.
» Was tust du da, Küken?«
Vor Schreck wäre ich beinahe aus meiner Haut gefahren. Leider nicht wortwörtlich.
Mama Neda starrte mich mit farblosen schwarzen Augen an. Mir drängte sich der Eindruck auf, dass sie genau wusste, was ich vorgehabt hatte. Ich ließ die Hände sinken und versuchte, gelassen auszusehen. Dass diese alte Frau mich gefangen halten konnte, war eine Sache; dass sie sich zweimal an mich hatte heranschleichen können, war verstörend. Ich starrte durch sie hindurch, mit dem ausdruckslosen Blick, zu dem jede Katze, die etwas taugte, nach Belieben imstande war.
Mama Neda wirkte unbeeindruckt.
» Trink das, Küken.« Sie hielt mir eine orangefarbene Plastiktasse hin.
Als ich nicht danach griff, schwand ihr Lächeln. Sie bewegte sich weder, noch änderte sie ihren Gesichtsausdruck, doch plötzlich krampfte sich mir der Magen zusammen, und eine Welle der Angst überrollte mich. Ich packte die Tasse, hob sie noch vor dem nächsten Schlag meines rasenden Herzens an
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