Kuss der Ewigkeit
völlig allein zu sein.
Ratlos starrte ich den Jäger an. Wie sollte ich etwas ungeschehen machen, das ich nicht einmal verstand? Nathanial hatte erwähnt, dass ich Körperkontakt brauchte, also war das zumindest schon einmal ein Ansatzpunkt. Ich zwang mich, die Fäuste zu lösen, und griff nach der Hand des Jägers.
Als ich ihn berührte, wurde sein Gesicht weicher. Er öffnete leicht die Lippen, und seine Pupillen weiteten sich, während ein Ausdruck offener Verehrung seine Züge ergriff. Ich zuckte zurück und ließ seine Hand fallen. Was zum …
» Das ist keine Liebe«, flüsterte Nathanial. » Es ist Lust. Betörer manipulieren üblicherweise entweder Angst oder Lust. Du musst seine Lust erfasst und vergrößert haben.«
Ich schüttelte den Kopf, nicht um zu widersprechen, sondern um zu versuchen, die bedrückende Erinnerung an jene Augenblicke, bevor meine Zähne Evans Kehle durchbohrten, abzuschütteln. Ich hatte seine Angst und Erregung gekostet, und einen Augenblick lang hatte ich ihn als Beute angesehen. Beutetiere, die vor einem Raubtier flohen, rochen immer nach Angst. Hätte ich ihm wirklich die Kehle herausgerissen? Ein Schauer lief mir den Rücken hinunter. Ich hatte nicht klar denken können, dennoch war die Erinnerung nur allzu lebhaft.
» Und was jetzt?«, fragte ich.
» Das ist eine Gabe, die ich nicht besitze, Kita, deshalb kann ich dich nicht anleiten. Befiehl ihm. Schick ihn fort. Das ist das Beste, was du tun kannst.«
Das Beste, was ich tun konnte? Sicher konnte ich doch etwas Besseres tun, als ihn zum Sterben fortzuschicken. Ich griff erneut nach seiner Hand und schaffte es, diesmal nicht zusammenzuzucken, als die Verehrung wieder in sein Gesicht sickerte. Ich war definitiv nichts, was verehrt werden sollte.
Irgendwo weiter die Straße hinauf hallten die Schritte zweier Paar Füße von den Wänden der Stadthäuser wider. Bobby. Er sollte doch eigentlich im Park sein! Warum hörte eigentlich niemand auf mich? Ich wollte absolut nicht, dass er das hier sah.
Ich blickte in Evans bernsteinfarbene Augen. Abgesehen von dem Ausdruck der Verzückung, der über sein Gesicht huschte, änderte sich nichts. Ich versuchte, eine mentale Verbindung zwischen uns herzustellen, so wie ich mein eigenes Tier rufen würde, doch ich fühlte nichts. Großartig. Das war ja mal wieder typisch für mich, dass es meine Vampirkräfte stärker machte, wenn ich hungrig genug war, den Verstand zu verlieren, sie aber nicht gebrauchen konnte, wenn ich nicht irre war.
Ich schloss die Augen und tauchte tiefer in mein Bewusstsein ein. Ich fand die tote Spirale, wo meine Katze sein sollte, doch nichts sonst.
Bobbys und Gils Schritte kamen näher. Als ich einen Seitenblick auf die Öffnung zwischen den Gebäuden warf, sah ich aus den Augenwinkeln einen roten Fleck, der sich um Evan wand. Als ich ihn direkt ansah, verschwand er wieder, doch ich erhaschte einen Blick auf etwas Tiefrotes, das sich ungefähr auf der Höhe seines Nabels zusammenzog. Nun, entweder verlor ich meinen Verstand– was im Augenblick absolut im Bereich des Möglichen lag– oder es hatte etwas mit dieser Betörungssache zu tun. Ich konnte es weder berühren noch spüren, aber da ich wusste, dass es da war, gelang es mir, es in meinem Blickfeld zu behalten, als ich Evan erneut in die Augen sah– ich hoffte nur, dass das ausreichte.
» Du hast mich nie gesehen. Mich nie gefunden. Du sahst nur einen Jäger auf der Straße. Einen, der seinen Job verdammt gut macht.«
Die Verzückung wich aus seinem Gesicht, seine Augen trübten sich.
War das alles, was nötig war, um Erinnerungen auszulöschen? Ich dachte an Marinna, seine menschliche Freundin, und mein Mund wurde trocken, als ich ihren Vertrauensbruch auf der Zunge schmeckte. Tränen drohten mir in die Augen zu steigen, als ich mich an die sorgsam niedergeschriebenen Zeilen ihres Briefs erinnerte. Mit diesem Gefühlscocktail war ich nur allzu vertraut– ich war mit ziemlich denselben Gefühlen aus Firth geflohen. Man sagt, die Zeit heilt alle Wunden, doch ich konnte seinen Schmerz sofort beenden. Ich konnte ihn vergessen lassen, dass er sie je geliebt hatte, dass er ihren Namen kannte. Würde ihn das denn nicht irgendwie für das Blut, das ich ihm genommen hatte, entschädigen? Doch der Schmerz reichte nicht zurück und verdarb seine älteren Erinnerungen, als seine Liebe zu ihr noch bedingungslos überschäumte, und wenn ich sie aus seinen Gedanken löschte, wäre dieses Glück ebenfalls
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