Kuss der Ewigkeit
meinen Ohren, und Fernsehpublikum lachte in einem der Häuser in der Nähe. Die Gerüche, die von dem Jäger herüberwehten, waren abstoßend intensiv: die Zitrusnote seines Rasierwassers, die gegen den beißenden Moschusgeruch nach Wolf ankämpfte– und verlor; der Geruch nach Schweiß und Blut. Sein Herz schlug wieder, laut– zu laut. Zum ersten Mal, seit ich als Vampir aufgewacht war, lag keine Magie darin, einen Herzschlag zu hören oder Blut zu riechen. Kein Hunger regte sich in meinem Magen, nur ein leicht mulmiges Gefühl.
Ich sank auf die Knie und stützte die Hände auf den Boden. » Ich glaube, mir wird schlecht.«
» Wage es ja nicht!« Mit hartem Griff um meinen Oberarm riss Nathanial mich hoch. » Das ist sein Lebensblut, das du ihm bereits genommen hast. Das Blut einer Person ist kostbar. Verschwende es niemals!«
» Ich wollte nicht… Ich hatte nicht vor…«
» Ich weiß, aber du brauchtest es.«
Ich starrte ihn an. Seine Haut war wie meine, porenlos. Warum war mir das vorher nie aufgefallen? Und die Iris seiner Augen, ich hatte immer gedacht, sie wäre grau, doch tatsächlich war sie gesprenkelt mit Dutzenden Schattierungen von Grau, wie ein facettierter Diamant. Ich kniff die Augen zusammen. Meine Sinne waren überreizt. Ich musste mich auf das konzentrieren, was gerade geschah. Darauf, was bereits geschehen war. Er war da gewesen. In der Gasse. Ich hatte ihn aus den Augenwinkeln bemerkt, aber er hatte mich nicht aufgehalten. Er hatte es nicht einmal versucht, bis es vorbei war.
Ich schüttelte den Kopf. » Du hast zugelassen, dass ich das tue.«
Er leugnete es nicht, und ein erstickter Schrei entrang sich meiner Kehle.
» Du hast mich davon abgehalten, Bobby zu beißen. Wir waren beinahe im Park, warum hast du mich jetzt nicht davon abgehalten?«
Er wandte den Blick ab und zuckte mit den Schultern, doch die Bewegung war nicht geschmeidig. » Du musstest dich ernähren. Ich könnte dir sagen, dass ich dich zuvor aufgehalten habe, weil du mehr Schuldgefühle empfinden würdest, wenn du Bobby gebissen hättest, aber…« Er verstummte, dann wandte er sich um, um mir in die Augen zu sehen. » Der Jäger kam gelegen und ist kein Verbündeter.«
» Er hat einen Namen, Nathanial! Er heißt Evan. Er ist ein Wolf vom Renfrew-Clan. Er kommt nicht aus einer Familie, die wichtig genug ist, als dass er würdig wäre, sich eine Gefährtin zu nehmen, deshalb wurde er von Kindesbeinen an zum Jäger ausgebildet. Es gefällt ihm in der Menschenwelt. Sie ist eher ein Zuhause für ihn, gerechter seiner Ansicht nach, als Firth. Er hat eine Freundin hier. Sie ist schwanger, aber sie hat ihn verlassen.« Die Einzelheiten sprudelten nur so aus mir heraus. » Warum weiß ich all diese Dinge?«
» Pssssst.« Nathanial zog mich in seine Arme, doch ich stieß ihn von mir.
Sein Gesicht wurde ausdruckslos. » Du wirst von jedem, den du beißt, ein Stück mit dir tragen, doch ihre Erinnerungen werden mit der Zeit verblassen.«
» Ihr Blut und ihre Gedanken? Ist denn gar nichts heilig?«
» Wenn du dich dadurch besser fühlst: Einem von uns als Spender zu dienen ist wahrscheinlich die euphorischste Erfahrung in ihrem Leben.«
Ich blickte zu Evans benommener Gestalt hinüber. » Als Spender zu dienen, hört sich an, als hätte er eine Wahl gehabt.«
Mit gerunzelter Stirn sah Nathanial mich an, dann kauerte er sich neben Evan nieder und schnippte mit den Fingern vor seiner Nase, doch der Jäger blinzelte nicht einmal. Nathanials Stirnrunzeln schwand, als er mir bedeutete, mich in Bewegung zu setzen. Widerstrebend schlurfte ich ein paar Schritte näher. Evans Augen folgten meiner Bewegung, doch sie wurden nicht klarer. Ein schwaches Lächeln breitete sich auf Nathanials Gesicht aus.
» Vor deinem Biss, hast du da seine Gefühle gespürt oder irgendetwas Seltsames bemerkt?«
Ich krümmte mich innerlich bei dem Wort » Biss« und wollte schon Nein sagen, doch dann erinnerte ich mich an den Hauch von Angst und Erregung, den ich einen Augenblick, bevor ich die Zähne in ihn grub, gespürt hatte. Nun ja, gespürt war wirklich das falsche Wort dafür. Es war eher so, als hätte ich es geschmeckt oder vielleicht gesehen, doch das ergab keinen Sinn. Nach einem Moment nickte ich.
Nathanial nahm die Brille ab und klopfte sich mit der Fassung in die Handfläche. » Sehr interessant.«
Ich trat von einem Fuß auf den anderen, doch Nathanial war in seinen Gedanken versunken. » Was?«, fragte ich.
» Wusstest du, dass die
Weitere Kostenlose Bücher