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Kuss der Sünde (German Edition)

Kuss der Sünde (German Edition)

Titel: Kuss der Sünde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Wegner
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Geringste zu tun hatte. Ich hätte das niemals erlaubt.“
    Der Vorwurf ihrer Mutter machte ihn mundtot. Seine Lippen wurden schmal, die Nasenflügel bebten, so angestrengt rang er nach Atem. Gelassen ergriff Marianne seinen Arm und führte ihn zur Tür. Dort wisperten sie miteinander. Unterdessen nahm Viviane einen der goldenen Kämme an sich und steckte ihn in die weite Tasche ihres Morgenmantels. Ihre Zukunft schien sich in diesem kleinen Raum vor ihr auszubreiten. Eine lichtloses, tristes Leben, dem sie auf einem grauen Strom entgegentrieb. Ihr Vater verließ das Boudoir und überließ sie der Mutter. Diese kehrte auf ihren Platz zurück, faltete die Hände im Schoß und musterte sie lange. In ihrer Miene war nichts abzulesen. Sie schien keinen Groll zu hegen, schien überhaupt nichts zu empfinden.
    „Ich gehe davon aus, dass du den Namen des Mannes, bei dem du warst, nicht nennen wirst. Also, frage ich dich erst gar nicht danach.“
    Die Sachlichkeit ihrer unterkühlten Stimme erschreckte Viviane ebenso wie ihre Feststellung. Sie hatte nicht gedacht, dass es so offensichtlich war. Hatten ihre Gefühle und die Erlebnisse der letzten beiden Wochen sie dermaßen verändert? Stand ihr der Gram, der Schmerz um Oliviers Verrat auf der Stirn geschrieben? Die Marquise lächelte.
    „Kinder vergessen stets, dass ihre Mütter nicht nur Mütter sind, sondern auch Frauen. Du kannst dir vermutlich nicht vorstellen, dass mir dein derzeitiger Zustand bekannt ist. Du bist verliebt und redest dir wie alle Frischverliebten ein, es könnte keinen anderen geben. Jetzt bist du davon überzeugt, dass du nie wieder einen Mann so lieben könntest, wie du ihn liebst.“ Leise lachend schüttelte sie den Kopf. „Du irrst dich, Viviane. Im Augenblick kommt es dir unvorstellbar vor, dass es andere Männer geben kann, zu denen du dich hingezogen fühlst, doch genau so wird es eines Tages kommen. Er wird dir gleichgültig werden, bis du dir die Frage stellst, was du jemals an ihm gefunden hast. So ist es immer, und daher rate ich dir, deine Zeit nicht zu vergeuden. Begehe nicht den Fehler, ihn für einzigartig zu halten. Andere Männer werden dir begegnen, die dir ähnliche Gefühle entlocken und Freuden bescheren werden. Wenn du klug bist und die nötige Diskretion aufbringst, muss dein Gemahl davon nichts erfahren.“
    Schockiert starrte Viviane sie an. Es waren keine Phrasen. Ihre Mutter sprach aus eigener Erfahrung und von ihrer Ehe. Gelassen hob Marianne die Schultern.
    „Jede Ehe hat ihr eigenes Arrangement, und dein Vater und ich sind uns einig. Selbstverständlich war auch ich gelegentlich trunken vor Liebe. Ja, ich glaubte sogar einmal, einen weit unter mir stehenden Mann zu lieben. Ich bildete mir ein, unglaublich viele Gemeinsamkeiten in ihm zu entdecken. Er war sehr attraktiv.“
    Verschmitzt lächelte sie. Viviane stand kurz davor, die Hände auf die Ohren zu legen. Sie wollte von solchen Dingen nichts wissen. Es waren Abgründe, die sich vor ihr auftaten. Abgründe, die es schon immer gegeben hatte. Das Rätselraten eines kleinen Mädchens, wenn der Vater viele Tage fortblieb oder die Mutter für lange Stunden das Haus verließ. Aber solange nicht darüber geredet wurde, existierten diese Abgründe nicht wirklich.
    „Jener Mann verlangte sogar von mir, mit ihm fortzugehen. Nun, ich habe nie daran gedacht, meine Kinder zu verlassen oder deinen Vater zu beschämen. Wir hegen große Zuneigung füreinander, dein Vater und ich. Es ging uns nie darum, uns gegenseitig zu demütigen oder zu verletzen. Wir haben stets vermieden, unseren Ruf wegen einer Affäre zu riskieren. Es lohnt sich nicht, für die Liebe alles aufs Spiel zu setzen. Sie wandelt sich unentwegt, und aus der größten Leidenschaft entsteht am Ende Gleichgültigkeit. Ich wusste jederzeit, was ich deinem Vater und seinem Namen schuldig bin. Und du wirst es ebenso halten.“ Die Stimme ihrer Mutter erlangte eine Kälte, unter der sie zu frösteln begann. „Es interessiert mich daher nicht, wer dieser Mann ist, der dir den Kopf verdreht hat. Du wirst ihn vergessen, und die Ehe mit dem Chevalier de Casserolles wird dir dabei helfen. Nachdem ihr geheiratet habt – und es wird zu keinem weiteren Verzug kommen – kannst du tun und lassen, was dir beliebt, solange du deinen Ruf und das Ansehen deines Gemahls nicht durch deine Fehltritte in Gefahr bringst.“
    Die Schändlichkeit dieses Vorschlags verursachte ihr Übelkeit. Ein Hauch von Galle brannte in ihrer Kehle.

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