Kuss der Sünde (German Edition)
hatte er auf seine Finger geblickt und auf eine Erklärung für besagten Schimmer gewartet, doch die Erwähnung der dunkelhaarigen Schönheit tilgte jeden Gedanken daran aus.
„Wer ist ihre Mutter?“
„Sie ist wie ich und doch völlig anders. Diese Welt hat sie verdorben. Sie verdirbt jeden, der zu lange darin verweilt, auch dich. Ich bedaure es sehr, denn es ist mir nicht gegeben, daran etwas zu ändern. Nun möchte ich nicht mehr darüber reden.“
Sie warf sich herum und rollte sich an seiner Seite zusammen. Für eine Weile betrachtete er ihren schmalen Rücken. Behutsam strich er über ihr Rückgrat. „Adrienne, Süße …“
„Ach, ich hätte nie gedacht, dass es so schwer wird. Die Herrin vom See wird furchtbar enttäuscht von mir sein. Sofern ich überhaupt zurückkehren kann nach so langer Zeit.“
Er öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Wovon genau hatte sie eigentlich gesprochen? Was hatte sie ihm sagen wollen mit ihrer Geschichte? Plötzlich war es ihm wichtig. In seinem Inneren schien sich eine Saite zu spannen. Ihr Schweigen erzeugte einen hellen Ton in seinen Ohren. „Ich war ein wenig abgelenkt. Wenn du es mir noch einmal erzählen magst, werde ich aufmerksamer sein. Was bedeutet dieses Licht an meinen Händen? Wenn ich schreibe, dann …“
„Es ist sinnlos“, fiel sie ihm gereizt ins Wort, griff nach hinten und schob seine Hand beiseite. „Es hat noch nie etwas gebracht. Ich habe Heimweh!“
Immerhin hatte sie ein Heim. Er hingegen hatte lediglich Geschäfte, und diese sollte er allmählich erledigen, anstatt sie anderen zu überlassen. Überlegungen über seine Hände waren dabei ebenso störend wie die Erinnerung an die dunkelhaarige Fremde. „Sag mal, kennst du eine Schauspielerin, die der Königin ähnlich sieht?“, wechselte er abrupt das Thema.
Adrienne setzte sich auf und drehte sich zu ihm um. Schwer seufzte sie. „Etliche, doch die beste von ihnen ist Nicolette Lequay. Willst du mit einer Frau schlafen und dir vorstellen, es sei unsere Souveränin?“
„Nein, ich habe ein Engagement für sie. Kurz und sehr einträglich. Wo kann ich sie finden?“
Adrienne stieg aus dem Bett, setzte sich vor ihren Frisierspiegel und nahm eine Puderquaste auf. „Besuche mich morgen Abend. Ich werde sie dir vorstellen“, sagte sie, puderte sorgfältig ihre Nase und legte die Quaste beiseite. Ihr Blick suchte den seinen im Spiegel. „Was immer du vorhast, Olivier, ich fürchte, du begibst dich damit in Teufels Küche.“
Dort befand er sich bereits seit Jahren, und es war behaglich warm.
Er kleidete sich an, um unten an den Spieltischen sein Glück zu versuchen, bis sich Adriennes Stimmung ein wenig gehoben hatte. Auf dem Weg nach unten kam ihm der Stallbursche entgegen. Ertappt zuckte der Knirps zusammen, doch ehe er entwischen konnte, packte Olivier ihn im Nacken und führte ihn in das nächstgelegene Zimmer.
„Monsieur Brionne“, stammelte der Junge. „Ich wusste nicht, dass Sie … äh … Also, für ein Zubrot bin ich immer dankbar, aber ausgerechnet heute Abend hab ich schon zwei Herren bedient und mein Arsch tut weh.“ Zur Bekräftigung rieb er über seinen Hintern.
„Setz dich.“
Ergeben zuckte der Stalljunge mit den Schultern. „Wollen Sie sich nicht lieber setzen, das ist für Sie bequemer.“
Er schüttelte den Kopf und ging auf eine Anrichte zu, auf der Gläser und eine Karaffe mit Wein standen. Er schenkte ein. „Setz dich und trink was, Junge. Ich will mich nur mit dir unterhalten.“
„Ehrlich?“ Der Junge setzte sich vorsichtig auf einen Stuhl mit geschwungenen Beinen.
Es brauchte zwei Gläser Merlot, bis sich seine Zunge löste. „Sie kamen in einer Kutsche mit abgedecktem Wappen und benutzten den Vordereingang. Das ist ungewöhnlich, denn sonst benutzt Madame Fifi stets die Hintertür.“ Der Junge gluckste. „Stets die Hintertür, das ist lustig.“
Olivier sah keinen Grund, mitzulachen. Nachdem er den Jungen endlich erwischt hatte, wollte er Antworten.
„Der Name der Dame ist Fifi? Oder kam sie in Begleitung einer anderen Frau?“
Verhalten rülpste der Junge. „Nee, Madame Fifi ist ein Mann. Er nennt mich immer Fifi. Deswegen.“
„Sein richtiger Name?“
„Keine Ahnung. Madame La Bouche kennt die Namen ihrer Gäste. Einmal hat er mich gebeten, ihn Maurice zu nennen, aber wie soll das gehen, wenn er mir sein Ding in den Mund steckt.“ Der Kleine schüttelte den Kopf. „Ein feiner Herr ist er. Immer großzügig und auch
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