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Kuss der Sünde (German Edition)

Kuss der Sünde (German Edition)

Titel: Kuss der Sünde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Wegner
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schnappte nach Luft. Stumm griff sie nach seiner Hand und führte sie unter die Wölbung ihrer Brust. „Ich weiß“, hauchte sie hervor.
    Gut, sie würde ernten, was sie gesät hatte. Die Verführung dieses dummen Kindes ging einfach vonstatten und unweigerlich warf es die Frage auf, ob sein Vater bei der s chönen Marianne auf größeren Widerstand gestoßen war.
    „Erwarten Sie mich kurz nach Mitternacht. Nun zeigen Sie mir Ihr Fenster.“
    Ohne Zaudern wies sie auf ein Fenster im zweiten Stock des Hauses. Ein letztes Mal küsste er sie und fand weitere Plattitüden, die von Leidenschaft sprachen.
    Wenig später, nachdem sie wieder im Haus verschwunden war, saß er rit t lings auf der Gartenmauer und warf einen letzten Blick über die hohen Fli e derbüsche auf die Fensterfront. Irgendwo dahinter befand sich das Zimmer von Viviane Pompinelle. Sein letzter Gedanke galt ihr, bevor er von der Ma u er sprang und ging.
     

     
    Welche Sünden konnte ein fünfzehnjähriger Junge schon begangen haben, um eine schwere Krankheit zu rechtfertigen? Seit zwei Tagen wurde Viviane von dieser Frage gepeinigt. Sie biss in ihre Stirn, meißelte sich in die Schädelkn o chen und bohrte sich in ihr Hirn. Von einer Entzündung der Lunge n hatte der herbeigeholte Arzt gesprochen und dabei zum Aderlass und einem Tonfall gegriffen, in dem das Gegenteil seiner beruhigenden Zusicherung mitg e schwungen hatte. Sie war zutiefst alarmiert und wich nicht mehr von Justins Krankenbett. Regelmäßig wechselte sie seine Wadenwickel, um das hohe Fi e ber zu senken.
    Regelmäßig ging sie alle Vergehen durch, die ein Junge seines Alters auf sich geladen haben könnte. Hatte er den Onkel zu dieser La Bouche begleitet, wo es nicht beim Zusehen geblieben war? Hatte er die Röcke der weiblichen Dienstboten gelüpft? War er zu oft auf dem Rücken seines Pferdes Saladin vor seinem Privatlehrer und ernsthaften Studien geflohen? Jede einzelne Frage beantwortete Viviane mit einem entschiedenen Nein.
    Sie leugnete schlichtweg alles, sogar die letzte Ölung, die am Abend zuvor im Beisein der Familie stattgefunden hatte. Seitdem hatte ihr Onkel das Haus nicht mehr verlassen. Sein L e ibdiener hatte ihm am Morgen frische Kleidung gebracht. Die permanente Anwesenheit des Vicomte de Kerouac, der ihrem Vater in dessen Räumen Gesellschaft leistete, schürte ihre Ängste. Das Leben im Haus kam zum Erliegen. Die Lakaien bewegten sich auf Zehenspitzen, und ihre Mutter hatte sich hingelegt. Zu dieser frühen Abendstunde kündete die ungewöhnliche Stille in ihrem Elternhaus eine nahende Katastrophe an. Das Zwitschern der Vögel vor dem offenen Fenster erschien ihr durchdringend laut.
    Viviane nahm seine Hand auf. Seine Fingerknöchel waren geschwollen und rau. Mit dem Daumen strich sie über die heiße, trockene Haut. Fest ve r schlang sie ihre Finger mit seinen und musterte ihn, suchte nach Anze i chen, die auf eine Besserung hinwiesen. Die roten Flecken auf seinen Wangen waren einer wächsernen Blässe gewichen, die Lippen aufgesprungen. Sie sen k te den Kopf und drückte Justins Hand gegen ihre Stirn.
    „Weshalb hat dich Grandmère Claude nach Paris zurückg e schickt?“
    Seine Stimme klang schwach und fremd in ihren Ohren. Sie hob den Kopf und begegnete einem vom Fieber trüben Augenpaar. Ihr Lächeln geriet schief. Sie nahm die Tasse mit dem Weidenrindentee auf, den sie mit Honig gesüßt hatte, und setzte sich zu ihm aufs Bett.
    „Du musst mehr trinken“, bat sie und stützte seine Schultern, damit er sich aufsetzen konnte. Die Knochen seines Rückgrats drückten hart in ihren U n terarm. „Die Flüssigkeit schwemmt das Fieber aus deinem Körper. Wenn du erst gesund bist, reisen wir beide in die Bretagne zu Grandmère oder vielleicht sogar in die Berge.“
    „In die Berge?“, stammelte er und leckte sich über die Lippen.
    „Ja, hoch hinauf in die Alpen. Die Luft dort ist heilsam. Ich werde dich b e gleiten.“
    Sanft ließ sie ihn in die Kissen zurückgleiten .
    Die Risse in seinen Lippen vertieften sich, als er sie angrinste. „Du willst in die Alpen? Nur meinetwegen?“
    „Ja, deinetwegen treibt es mich in die Welt hinaus. Dabei würde ich viel li e ber hinter den Mauern eines Pensionats verweilen und junge Mädchen unte r richten.“
    „Du bist eine Heilige.“
    Sein Scherz schürte die Hoffnung, dass er sich auf dem Wege der Besserung befand. Prüfend legte sie die Hand an seine Stirn. Sie war noch immer heiß. Immerhin schien sein Verstand

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