Kuss der Sünde (German Edition)
Auftraggeber beim Namen. Darunter waren angesehene und einflussreiche Persönlichke i ten, denen niemand einen noch so kleinen Betrug zutrauen würde.
„Soll ich dir was sagen, Junge? In mir verfestigt sich allmählich der Ei n druck, dass du unbedingt hinter Schloss und Riegel willst.“
Olivier lachte. „Nein, mein Freund. Ich neige höchstens dazu, dir die Au f gabe zu überlassen, sich grundlos Sorgen zu machen. Du hast sie stets gewi s senhaft erfüllt. Für mich war es schon immer Zeitvergeudung , hinter jeder Ecke Gefahren zu wittern.“
Ninon, die mit einem Tablett eintrat, vernahm seine letzten Worte. Sie set z ten ihr Gespräch nicht fort, während sie drei Gläser mit Wein füllte.
„Ich nehme an, es wird kein Haus in der Provinz geben“, bemerkte sie tr o cken.
Er prostete ihr zu. „Was hast du gegen dieses Haus einzuwenden? Es ist groß, und Dank deiner Rührigkeit ein gemütliches Heim. Am Bois de Boulogne lebt es sich so gut wie auf dem Land. Die Nachbarn sind weit genug en t fernt, um nicht zu stören, und der Wald liegt direkt vor unserer Haustür.“
Ihre Mundwinkel sanken herab. „Ich weiß, was kommen wird. Eine kurze Pause und dann nimmst du dein Leben dort auf, wo du es heute abgeschlo s sen hast. Falsche Papiere, falsche Siegel und hin und wieder ein Bruch. Du wirst dich nie ändern.“
„Ich kann mich ändern“, widersprach er.
„Dann nenn mir einen einzigen Grund, weshalb du in Paris bleiben willst . “
Olivier ließ sein Glas sinken und blinzelte zu den beiden auf, die dicht an dicht standen und eine Antwort von ihm erwarteten. Für den Bruchteil einer Sekunde blitzte ein kornblumenblaues Augenpaar in seinen Gedanken auf. Es wäre ein höchst lächerlicher Grund und nichts, worauf er die Rede bringen wollte. Er begnügte sich mit einem Schulterzucken. „Ihr bringt es wirklich fertig, mir die Laune zu verderben. Soweit ich mich erinnere – bitte korrigiert mich, wenn nötig – , sind wir bisher mit meinen Entscheidungen gut gefa h ren“, bemerkte er und hob sein Glas. „Langsam komme ich doch ins Grübeln, ob ich mit zwei Spielverderbern einen trinken soll. Was ist nun?“
Ninon und Lazare beschränkten sich auf einen kurzen Blickwechsel, dann hoben sie ihre Gläser und tranken mit ihm auf eine Zukunft, von der er selbst nicht genau wusste, wie sie sich gestalten sollte.
Mit wehenden Röcken und in den Nacken gerutschter Haube stürzte Pauline in Vivianes Zimmer, warf sich auf das Bett, schnappte sich ein Kissen und heulte unbeherrscht hinein.
Nachdem sich ihr Herzschlag wieder beruhigt hatte, setzte sie sich zum Nesthäkchen der Familie und tätschelte den schmalen Rücken.
„Wenn dich das Schreiben von Rittergeschichten so stark aufwühlt, solltest du vielleicht Komödien schreiben. Du könntest Molière nacheifern.“
„Darum geht es nicht“, nuschelte es herzzerreißend aus dem Kissen hervor.
„Auch Justin würde nicht wollen, dass du seinetwegen so sehr weinst.“
Pauline hob den Kopf und zeigte ihr ein vom Weinen verquollenes Gesicht und eine rote Nase. Sie rieb sich über die Augen und Wangen. „Ich ve r misse Justin. Wirklich. Aber seinetwegen weine ich nicht. Ich sah Monsieur Duprey. Heute, ganz früh am Morgen. Er kletterte aus Juliettes Fenster.“
Grundgütiger! Fest legte sie Pauline die Hand auf den Mund. „So etwas darfst du nicht einmal im Spaß behaupten.“
Ihre Schwester zog den Kopf zurück und wischte mit dem Kissenzipfel über ihre Nase. „Das ist kein Spaß. Ich habe ihn gesehen, ob du mir glaubst oder nicht.“
Sie durfte und wollte nicht daran glauben. Um Zeit zu gewinnen, zog sie ein Taschentuch hervor und reichte es der kleinen Schwester. Anstatt sich jedoch die Nase zu putzen, rollte Pauline sich auf den Rücken und breitete das Tuch über ihrem Gesicht aus.
„Ich bin so unglücklich, Viviane.“ Das Tuch blähte sich. „Juliette weiß, wie sehr ich ihn mag. Warum macht sie das?“
„Sei doch vernünftig, Pauline. Du kannst ihn nicht gesehen haben. Zum e i nen bin ich immer sehr früh wach und hätte bestimmt etwas bemerkt. Zum anderen … a lso , wirklich … a usgerechnet er. Du kennst doch Juliette. Sie würde einen Tanzmeister nicht mal mit der Kneifzange anfassen. Du weißt doch, dass sie ihn stets piesackt e .“
„Sie war gemein zu ihm“, bestätigte Pauline heftig.
„So ist es. Du hast dich geirrt.“
Pauline schürzte die Lippen und verfiel in dumpfes Brüten. Es ließ ausre i chend Zeit, sich
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