Kuss der Sünde (German Edition)
trüben Winter, den wir hinter uns haben. Ich bin glücklich. Überglücklich. Minette !“ Übe r gangslos rief sie nach ihrer Zofe. „Minette wird dich entsprechend herrichten für diesen großen Augenblick.“
Vivianes Geistesgegenwart kehrte nicht zurück. Minette und ihre Mutter wirbelten um sie herum und verursachten eine Unruhe, die jeden klaren G e danken im Keim erstickte. Unterdessen saß der Chevalier im Salon auf heißen Kohlen. Da sie ihn mittlerweile kannte, wusste sie, dass ihm die Wartezeit den Schweiß aus allen Poren trieb.
Thibaut de Casserolles konnte kein Vorwurf gemacht werden. Eventuell könnte man ihm seine viel zu engen Strümpfe vorhalten, doch was seine au f geblasenen Wangen betraf, war er vollkommen schuldlos dazu gekommen. Obendrein war Viviane eine rigorose Verfechterin der Überzeugung, dass eine übermäßige Beschäftigung mit Äußerlichkeiten einzig einer verwerflichen Eitelkeit entsprang. Somit war die Wahl seines Schneiders kein ausreichender Grund, seinen Antrag abzulehnen. Davon abgesehen, hatte er bewundern s wertes Feingefühl an den Tag gelegt. Nachdem sie ihm im Bois de Boulogne entronnen war, musste er drei Tage das Bett hüten. Der Vorfall war ihm aufs Gemüt geschlagen. Es war ihm hoch anzurechnen, dass er danach nie wieder ein Wort über den missglückten Ausritt verloren hatte.
Mit hochrotem, zu ihr emporgehobenem Gesicht und wenig stattlich kniete er zu ihren Füßen. Seitdem er in die Knie gegangen war, beschäftigte sie sich mit der Frage, ob er aus eigener Kraft wieder auf die Beine käme. Sein wor t reicher und blumiger Antrag blieb ihr nicht in Erinnerung, weil sie den Weg der Schweißperlen verfolgte, die von seinen Schläfen über die Wangen rannen, um sich an seinem runden Kinn zu einem einzelnen, dicken Tropfen zu sa m meln. Als sein Kinn zitterte, fiel dieser Tropfen auf seinen Kragen und hinte r ließ einen feuchten Fleck.
„Aber … Wir kennen uns doch erst so kurz, Chevalier . “ Sie suchte Zuflucht in dieser höchst fadenscheinigen Ausrede . Es gab Bräute, die de m Bräutigam erst am Altar zum ersten Mal begegneten .
Ehe sie ihm ihre Hand entziehen konnte, setzte er einen feuchten Kuss d a rauf. „Oh, ich weiß, noch bin ich ein Fremder für Sie. Ich kann Ihre Bedenken durchaus nachvollziehen und versichere Ihnen, dass ich alles in meiner Macht Stehende unternehmen werde, um Ihnen vertraut zu werden.“
„Das hatte ich befürchtet“, murmelte sie und bemerkte zu spät, dass sie i h ren Gedanken laut ausgesprochen hatte. Die Bestürzung, die sie damit in ihm auslöste, beschämte sie. Hastig entzog sie ihm ihre Hand und erhob sich, um Abstand zu gewinnen. „Verzeihen Sie meine überstürzten Worte, Chevalier. Es kommt nur alles so … so plötzlich.“
Er stützte sich auf die Lehne des Sessels, auf dem sie soeben noch gesessen hatte, und gelangte schwerfällig auf die Füße. Seine Gelenke knackten, was dem Moment nichts von seiner großen Peinlichkeit nahm. Vor Verlegenheit wurde Viviane heiß und kalt zugleich. Wenn er bloß ein klein wenig Ähnlic h keit mit diesem Schwerenöter Olivier aufgewiesen hätte, wäre alles so viel leichter zu ertragen. Aber nein, ihr Wunsch war ungerecht. Im Gegensatz zu Olivier war das Benehmen des Chevaliers stets vorbildhaft. Sie suchte nach den richtigen Worten.
„Sie sind ein ehrenwerter Mann mit aufrechtem Charakter. Ihre Freun d schaft ist von unschätzbarem Wert, und ich bin geehrt, dass Sie in Erwägung ziehen, mich zu heiraten. Dennoch …“
„Ich verstehe. Ich verstehe sehr gut.“ Heftig nickte er. „Hier in Paris muss Ihnen vieles begegnet sein, das Ihr Urteil über mich beeinflusst. Zugegeben , ich gehöre nicht zu den Herren, die eine ungemein gute Figur im Sattel m a chen. Es gibt in dieser Stadt sowohl elegantere Junggesellen wie auch wortg e wandtere als meine Wenigkeit. Ich weiß selbst, wo meine Schwächen liegen. Ich bin ein Langweiler.“
„Oh, nein. Nein, nein.“
Die Selbstanklage zeugte von der Bereitschaft zur Selbsterkenntnis und trieb sie in die Enge. Diese Unterredung entwickelte sich zur größten Peinlichkeit ihres Lebens. Sie wünschte sich sehnlich ein Ende herbei und sank auf einen Stuhl, während er sich straffte und dabei den Bauch hervorstülpte.
„Obwohl dieser Sachverhalt nicht zu leugnen ist , schwöre ich, dass meine Gefühle für Sie tief und aufrichtig sind. Vielleicht macht das meinen Mangel an Leichtigkeit und Eleganz wett.“
Als er Leichtigkeit
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