Kuss des Apollo
in der Bar des Hotels Axelmannstein, das sie nach dem Krieg nur von außen hatten bewundern können. Die Herren tranken wie gewohnt Martini, Jana ein Glas Champagner. Sie sprachen von Amphitryon.
»Er macht es ziemlich kompliziert«, sagte Dr. Frobenius.
»Er will das Ganze in einem Amphitheater spielen lassen, als moderne Inszenierung, die dann unversehens in dem alten griechischen Mythos landet.«
Will, erst vor einer Stunde eingetroffen, war von der langen Fahrt etwas müde. Er war diesmal mit dem Auto aus Düsseldorf gekommen, seinem Hund zuliebe, den er nicht so lange allein lassen wollte. Seine Frau war, wie erwartet, an die Côte d’Azur gereist. Zwar hatten sie daheim in Meerbusch ein Hausmädchen, allerdings hielt das nicht viel vom Spazierengehen.
Will sagte: »Später. Lass uns erst den Abend genießen. Wir werden essen und dann einen Abendspaziergang durch den Ort machen und Tante Kitty einen kleinen Besuch abstatten. Morgen gehen wir hinauf nach Nonn und essen Forelle, und dann, nach einem kleinen Schläfchen, werde ich das Drehbuch lesen. Und dann reden wir darüber. Glücklicherweise liegt auf den Bergen noch reichlich Schnee, darauf habe ich mich am meisten gefreut.« Kitty, nun sechsundsiebzig, hatte sich in der Reichenhaller Luft gut gehalten, lebte nach wie vor in ihrer hübschen Wohnung am Park und freute sich jedes Mal, wenn die beiden Jungs, wie sie sie nannte, sie besuchten. Hanna, Wills Mutter, war vor sieben Jahren gestorben.
Sie kamen nicht dazu, lange über das Drehbuch zu reden, denn schon am Gründonnerstag reiste Sebastian Klose an, begierig darauf zu erfahren, was Produzent und potentieller Finanzier zu seinem Drehbuch sagten.
Herbert hatte inzwischen Gespräche mit dem Bayerischen Rundfunk geführt, der ein gewisses Interesse an dem Projekt signalisierte.
Griechenland sei in, hatte der Redakteur vom Bayerischen Rundfunk erklärt. Er fahre jedes Jahr, seine Frau wolle partout dorthin. Ihm schmecke zwar das Essen nicht, das sei in Italien besser. Aber die Landschaft, das Meer fände er großartig. Voriges Jahr sei er auf den Kykladen, auf Santorin gewesen.
Als Sebastian das hörte, war er sofort im Bilde.
Er hatte offensichtlich viel auf seiner Reise gelernt. Er berichtete ausführlich über die Kykladen, dass es ungefähr fünfzig Inseln seien, große, mittlere und kleine, und keineswegs alle bewohnt.
»Überall begegnet man der griechischen Mythologie, es geht gar nicht anders.« Die anderen mochten seine Art zu erzählen. Heiter und nicht ohne Humor berichtete er von den Inseln, den antiken Tempelanlagen, den Museen und der faszinierenden Landschaft. Davon, dass er die meiste Zeit mittellos gewesen war, sprach er nicht. Jana imponierte das.
Sebastian war am Nachmittag gekommen, von Paris nach München geflogen, von dort nach Salzburg und mit einem Taxi herüber nach Bad Reichenhall. Er hätte müde sein müssen, war es aber nicht. Es war schon spät, sie waren die letzten Gäste bei Werner in der Hotelbar. Sebastian musste jetzt endlich erzählen, was ihm noch zu Amphitryon eingefallen war.
»Wir stecken Amphitryon in eine fesche Uniform – er ist ein General. Nicht deutsch, nicht amerikanisch, nicht russisch, einfach eine legere, elegante Uniform. Wir wissen nicht, wie ein Thebaner, der in den Krieg gezogen ist, gekleidet war. Und Alkmene bekommt auch kein umständliches Gewand, sondern ein hübsches leichtes Sommerkleid. Am Schluss natürlich, als sie nach der Liebesnacht mit Zeus aus dem Haus kommt, trägt sie ein kurzes Nachthemdchen.«
»Das beruhigt mich«, sagte Will. »Ich dachte schon, sie kommt nackt aus dem Haus.«
»Das wäre auch eine Möglichkeit«, sagte Sebastian ganz ernsthaft.
»Nicht gerade nackt aus dem Haus, aber aus dem Bett. Das wären dann noch Innenaufnahmen. Aus dem Haus nicht, dort lungert nämlich das Personal des Palastes herum.«
»Und von dem, was sie im Bett treiben, sieht man gar nichts?«
Herbert lachte. »Will, ich bitte dich. Wir drehen doch keinen modernen Sexfilm, sondern ein griechisches Drama.«
»Von Drama kann keine Rede sein. Es ist eine Liebesgeschichte. Mit zwei Männern, die ein Mann sind. Sein sollen. Man müsste zeigen, wie der echte Amphitryon sich im Bett aufführt, sagen wir mal, ehe er in den Krieg zieht. Und ob es Zeus anders macht.«
Sebastian hatte ein nachdenkliches Gesicht bekommen. Und Herbert sagte: »Schluss jetzt. Womöglich fängst du noch an, ein neues Drehbuch zu schreiben.«
»Auf jeden Fall müssen
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