Kuss im Morgenrot: Roman
warum du Blue Maid’s verlassen hast.«
»Die Schulleiterin forderte mich dazu auf.«
»Im Ernst? Warum? Ich hoffe, du hast etwas Schockierendes und äußerst Verwerfliches getan.«
»Nein, ich war sehr artig.«
»Es tut mir leid, das zu hören.«
»Aber die Schulleiterin Marks rief mich eines Nachmittags zu sich ins Büro und …«
»Marks?« Leo blickte sie aufmerksam an. »Du hast ihren Namen angenommen?«
»Ja, ich bewunderte sie sehr. Ich wollte so sein wie sie. Sie war streng, aber freundlich, und nichts schien sie aus der Fassung zu bringen. Ich ging also in ihr Büro, und wir unterhielten uns eine ganze Weile. Sie sagte, ich hätte ausgezeichnete Arbeit geleistet, und ich sei jederzeit willkommen zurückzukehren und meine Lehrtätigkeit wiederaufzunehmen. Aber zuerst wolle sie, dass ich aus Aberdeen fortgehe und etwas von der Welt sehe. Und ich erklärte ihr, dass ich nichts weniger wünschte, als Blue Maid’s zu verlassen. Und sie meinte, gerade deshalb müsse ich es tun. Eine Freundin von ihr, die in einer Stellenbörse in London arbeitete, hatte ihr von einer Familie in … ›ungewöhnlichen Umständen‹ erzählt, so nannte sie es, eine Familie, die dringend eine weibliche Person suche, die sich in der doppelten Funktion als Hauslehrerin und Gesellschafterin um zwei Schwestern kümmern würde, von denen eine soeben von der Schule verwiesen worden war.«
»Das muss wohl Beatrix gewesen sein.«
Catherine nickte. »Die Schulleiterin meinte, ich sei für die Hathaways gut geeignet. Nicht zu erwarten war, wie gut diese Familie für mich geeignet war. Ich ging zu einem Vorstellungsgespräch, und insgeheim dachte ich bei mir, dass die ganze Familie ein bisschen verrückt sei – aber auf die liebenswerteste Weise. Ich blieb fast drei Jahre, und ich war so glücklich, und jetzt …« Sie verstummte, das Gesicht vor Kummer und Schmerz verzerrt.
»Nein, nicht doch«, sagte Leo hastig und nahm ihren Kopf in beide Hände, »fang jetzt nicht wieder damit an.«
Catherine war so erschrocken, als sie seine Lippen auf ihren Wangen und geschlossenen Lidern spürte, dass sich die Tränen sofort verflüchtigten. Als sie sich schließlich dazu überwinden konnte, ihn anzusehen, entdeckte sie ein zartes Lächeln auf seinen Lippen. Er strich ihr das Haar glatt und blickte mit einer so tiefen Besorgnis in ihr vom Kummer gezeichnetes Gesicht, wie sie es bei ihm noch nie gesehen hatte.
Als ihr bewusst wurde, wie viel sie soeben von sich preisgegeben hatte, spürte sie Panik in sich aufsteigen. Jetzt wusste er alles, was sie so lange versucht hatte zu verbergen. Ihre Hände schlugen gegen seine Brust wie die Flügel eines Vogels, der zu lange in einem Käfig eingesperrt gewesen war.
»Mylord«, brachte sie mit Mühe hervor, »warum sind Sie mir gefolgt? Was wollen Sie von mir?«
»Ich bin überrascht, dass du es nicht schon weißt«, murmelte er, während er weiter ihr Haar streichelte. »Ich möchte dir einen Antrag machen, Cat.«
Ja, klar , dachte sie, und Bitterkeit stieg in ihr auf. »Dass ich deine Mätresse werde.«
Sein ruhiger Ton stand ihrem in nichts nach, und ein sanfter Sarkasmus schwang in seiner Stimme mit, als er antwortete: »Nein, das würde nie funktionieren. Erstens würde mich dein Bruder sofort umbringen lassen oder allermindestens verstümmeln. Und zweitens bist du viel zu kratzbürstig, um eine Mätresse zu sein. Ich bin sicher, du eignest dich viel besser als Ehefrau.«
»Wessen?«, fragte sie düster.
Leo starrte geradewegs in ihre verengten Augen. »Meine, natürlich.«
Achtzehntes Kapitel
Gekränkt und wütend wand sich Catherine so heftig in seinem Griff, dass er sie schließlich freigeben musste.
»Ich habe genug von dir und deinem geschmacklosen, unsensiblen Humor«, schrie sie und sprang auf die Füße. »Du Schuft, du …«
»Das ist kein Scherz, verdammt!« Leo stand auf und griff nach ihr, und sie sprang zurück, und er versuchte sie noch einmal zu fassen zu kriegen, und sie fuchtelte wild mit den Armen. So rangen sie miteinander, bis Catherine taumelte und rückwärts auf das Bett fiel.
Leo landete in einem kontrollierten Sturz über ihr – tatsächlich war es eher eine Art Beutesprung. Sie spürte, wie er in die Masse von Röcken sank und ihr mit seinem überwältigenden Gewicht die Beine leicht auseinanderschob, während sein muskulöser Oberkörper sie ans Bett fesselte. Sie wand sich in Atemnot, während ein kitzelndes, prickelndes Gefühl der Erregung durch ihren
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