Kuss im Morgenrot: Roman
lächelte zu ihr herab. »Er darf sich glücklich schätzen, dass du ihn verteidigst, meine Liebe. Und ich hoffe sehr, dass du recht hast.« Er warf einen flüchtigen Blick in Catherines besorgtes Gesicht. »Gehe ich richtig in der Annahme, dass du ähnliche Zweifel hegst, Cat?«
»Mir fällt es schwer, überhaupt irgendeinem Mann zu vertrauen«, gab sie zu.
Die drei schwiegen, während sie weiter den säuberlich eingefassten Weg entlanggingen.
»Catherine«, ließ Poppy nicht locker, »dürfte ich dich mal etwas höchst Persönliches fragen?«
Cat warf ihr einen künstlich gequälten Blick zu und lächelte. »Ich kann mir kaum etwas Persönlicheres vorstellen als das, was wir die ganze Zeit hier besprochen haben. Ja, natürlich.«
»Hat mein Bruder dir gesagt, dass er dich liebt?«
Catherine zögerte ihre Antwort eine ganze Weile heraus. »Nein«, sagte sie schließlich, den Blick fest vor sich auf den Boden gerichtet. »Tatsächlich habe ich neulich mitgehört, wie er zu Win gesagt hat, er könne nur eine Frau heiraten, von der er sich sicher wäre, dass er sie nicht lieben würde.« Sie blickte ängstlich zu Harry, der glücklicherweise auf jeglichen Kommentar verzichtete.
Poppy runzelte die Stirn. »Das hat er vermutlich nicht so gemeint. Es ist typisch für Leo, sich über die Dinge lustig zu machen und das Gegenteil von dem zu behaupten, was er eigentlich fühlt. Bei ihm weiß man nie, woran man ist.«
»Ganz meine Meinung«, sagte Harry in neutralem Ton. »Bei Ramsay weiß man nie.«
Nachdem Catherine, offenbar mit einem ganz neuen Appetit ausgestattet, einige Sandwichs verdrückt hatte, zog sie sich in ihre Suite zurück, die Harry für sie organisiert hatte.
»Wenn du dich ausgeruht hast«, teilte Poppy ihr mit, »werde ich ein Hausmädchen mit ein paar von meinen Kleidern zu dir hinunterschicken. Sie werden vielleicht ein wenig locker sitzen, aber man kann sie leicht ändern lassen.«
»Oh, das ist wirklich nicht nötig«, protestierte Catherine. »Ich werde mir meine Sachen aus Hampshire nachschicken lassen.«
»In der Zwischenzeit wirst du etwas zum Anziehen brauchen. Und ich habe Dutzende von Kleidern, die ich überhaupt noch nie getragen habe. Harry hat die Schwäche, maßlos zu übertreiben, wenn es darum geht, etwas für mich zu kaufen. Außerdem ist es wirklich an der Zeit, dass du all die unscheinbaren Kleider ausrangierst. Ich sehne mich schon lange danach, dich einmal in schönen farbigen Kleidern zu sehen … in Rosenrot oder Jadegrün …« Als sie Catherines Gesicht sah, musste sie lächeln. »Du wirst wie ein Schmetterling sein, der sich aus seinem Kokon befreit.«
Catherine versuchte, es mit Humor zu nehmen, obwohl ihre Nerven vor Besorgnis bis zum Zerreißen gespannt waren. »Eigentlich habe ich mich als Raupe ziemlich wohlgefühlt.«
Poppy besuchte Harry in seiner Raritätenkammer, in die er sich häufig zurückzog, um über dieses oder jenes Problem nachzudenken, oder wenn er an etwas arbeiten wollte, ohne dabei gestört zu werden. Nur Poppy war es gestattet, ein und aus zu gehen, wie es ihr beliebte.
Der Raum war zu allen Seiten mit Regalen versehen, in denen exotische und interessante Objekte ausgestellt waren, Geschenke ausländischer Hotelgäste, Uhren, Statuetten und allerhand Kuriositäten, die er von seinen Reisen mitgebracht hatte.
Harry saß in Hemdsärmeln an seinem Tisch und tüftelte mit Getrieben und Federn und Drahtstückchen herum wie so oft, wenn er in Gedanken vertieft war. Poppy verspürte einen Wonneschauer, als sie sich ihm näherte und den Bewegungen seiner Hände zusah. Unwillkürlich musste sie daran denken, wie wunderbar sich diese Hände auf ihrem Körper anfühlten.
Als sie die Tür hinter sich schloss, sah Harry auf, sein Blick aufmerksam und nachdenklich. Er legte die Handvoll metallener Gegenstände beiseite. Er drehte sich in seinem Stuhl herum, ergriff ihre Taille und zog sie zwischen seine gespreizten Schenkel.
Poppy vergrub ihre Hände in dem glänzenden dunklen Haar, braunschwarze Seide, die sich sanft um ihre Finger wickelte. »Lenke ich dich gerade von etwas ab?«, fragte sie, als sie sich herunterbeugte, um ihn zu küssen.
»Ja«, sagte er an ihrem Mund. »Hör bloß nicht damit auf.«
Ihr Kichern löste sich zwischen ihren Lippen auf wie ein Stück Zucker in heißem Tee. Poppy hob den Kopf und versuchte sich zu erinnern, weshalb sie eigentlich hergekommen war. »Mmmmmh, nicht jetzt«, sagte sie, als sein Mund zu ihrem Hals wanderte.
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