Kuss im Morgenrot: Roman
nein! Denk gar nicht erst daran, mich beim Frühstück zu stören. Du wirst warten, bis ich fertig bin. Meinen Teller werde ich nicht auch noch mit dir teilen, jetzt ist wirklich Schluss.«
Dodger schien ihren strengen Ton verstanden zu haben, denn er streckte sich und kugelte sich in drei vollständigen Umdrehungen langsam über das Bett.
»Und bilde dir nur nicht ein, dass das eine dauerhafte Übereinkunft ist«, fügte Catherine hinzu, während sie Zucker in ihren Tee rührte. »Ich passe nur so lange auf dich auf, bis du zu Beatrix zurückkehren kannst.«
Sie war so hungrig, dass sie bis auf den letzten Krümel alles aufaß, abgesehen von einer kleinen Portion, die sie für das Frettchen beiseitegelegt hatte. Die Eier waren perfekt, das dampfende Gelb bestens geeignet, um die knusprigen Brötchen darin einzutunken. Als sie fertig war, löffelte sie ein pochiertes Ei in eine Untertasse, legte ein paar Beeren dazu und stellte es Dodger auf den Boden. Dodger hüpfte freudig im Kreis um sie herum, hielt einen Moment inne, um sich von ihr streicheln zu lassen, und stürzte sich auf sein Mahl.
Catherine hatte sich gerade fertig gewaschen und ihr Haar ausgebürstet, als es an der Tür klopfte. Es war Poppy, in Begleitung des Hausmädchens, das sie am Morgen geweckt hatte. Poppy trug mindestens drei Kleider über dem Arm, während das Hausmädchen einen großen Korb mit Damenwäsche, Strümpfen, Handschuhen und anderen Dingen schleppte.
»Guten Morgen«, begrüßte Poppy sie heiter und legte die Kleider auf das Bett. Sie warf einen Blick auf das Frettchen, das in der Ecke fraß, und schüttelte lächelnd den Kopf. »Hallo Dodger.«
»Sind all die Sachen für mich?«, fragte Catherine. »Ich brauche wirklich nicht so viel, ehrlich …«
»Ich zwinge sie dir auf«, teilte Poppy ihr mit, »also wage nicht, sie mir zurückgeben zu wollen. Ich habe noch ein wenig neue Unterwäsche vom Damenschneider beigelegt, außerdem ein ›verbessertes‹ Korsett – erinnerst du dich, als wir sie bei der Great Exhibition am Stand der Damenausstatterin gesehen haben?«
»Natürlich.« Catherine lächelte. »Eine ganze Kollektion von Damenunterwäsche, die in aller Öffentlichkeit ausgestellt ist, vergisst man nicht sofort wieder.«
»Ja, tatsächlich hat Madame Caplin aus gutem Grund die Siegermedaille bekommen. Die Caplin-Korsetts sind viel leichter als die normalen, und sie haben nicht annähernd so viele spitze Stäbchen. Außerdem passt sich das Stück vielmehr an deinen Körper an, anstatt dich in eine unbequeme Form zu zwingen. Harry hat Mrs. Pennywhistle, der Haushälterin, gesagt, alle Hausmädchen könnten sich auf Kosten des Hauses eins schneidern lassen.«
Catherine hob die Brauen. »Wirklich?«
»Ja, weil es so viel mehr Bewegungsfreiheit gewährleistet. Und stell dir vor, man kann richtig atmen in den Dingern.« Poppy hob ein blasses meerschaumfarbenes Kleid vom Bett auf und zeigte es ihr. »Dieses hier musst du heute tragen. Ich bin sicher, es wird dir passen … Wir sind ziemlich genau gleich groß, nur dass du ein wenig dünner bist. Ich hatte mich recht eng schnüren müssen, um überhaupt hineinzupassen.«
»Du bist zu großzügig, Poppy.«
»Unsinn, wir sind Schwestern!« Sie warf Catherine einen liebevollen Blick zu. »Ob du Leo nun heiratest oder nicht, wir werden immer Schwestern sein. Leo hat mir von eurem Ausflug um zehn Uhr erzählt. Hat er dir verraten, wohin ihr geht?«
»Nein, und dir?«
»Ja.« Poppy grinste.
»Wohin denn?«
»Lass dich überraschen. Ich sage nur so viel: Der Ausflug hat meine – und Harrys – volle Zustimmung.«
Poppy und das Hausmädchen halfen Catherine dabei, das meerschaumfarbene Kleid anzuziehen. Es war weder blau noch grün, sondern ein perfekter Ton dazwischen. Das Oberteil war figurbetont und ohne Taillennaht elegant geschnitten, die Röcke waren bis zum Knie schlicht und nach unten hin mit Volants besetzt. Die dazu passende auf Taille geschnittene Jacke war mit einem Saum aus blauen, grünen und silbergrauen Seidenfransen versehen. Ein kleiner koketter Hut wurde ihr auf das Haar gesetzt, das man ihr im Nacken zu einem lockeren Knoten zusammengefasst hatte.
Für Catherine, die so lange nichts Hübsches oder Modisches mehr getragen hatte, war der Effekt irritierend. Aus dem Spiegel blickte ihr eine elegant gekleidete, ausgesprochen weibliche und couragierte Frau entgegen.
»Oh, Miss, Sie sind so hübsch wie die Mädchen auf den Bonbondosen«, rief das
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