Kuss im Morgenrot: Roman
Ramsay House verlieren.«
»Wir haben schon weit Schlimmeres überlebt, als ein verdammtes Haus zu verlieren. Ich werde Marks heiraten und das Risiko auf mich nehmen.«
»Vielleicht bist du gerade dabei, die Lage zu testen«, sagte Harry mit ausdrucksloser Miene. »Du willst herausfinden, ob sie fruchtbar ist, bevor du sie heiratest.«
Obwohl ihn die Unterstellung verletzte, zwang er sich, daran zu denken, dass er es mit der berechtigten Sorge eines Bruders um seine Schwester zu tun hatte. »Mir ist es völlig egal, ob sie fruchtbar ist oder nicht«, sagte er gelassen. »Wenn es dich beruhigt, werden wir so lange warten, bis die Zinslehensklausel ihre Bedeutung verloren hat. Ich will sie so oder so.«
»Und was ist mit Cat?«
»Die Entscheidung hängt natürlich von ihr ab. Was Latimer betrifft, so habe ich ihn bereits darauf aufmerksam gemacht, dass ich Druckmittel gegen ihn in der Hand habe. Und ich werde sie einsetzen, wenn er Ärger macht. Doch der beste Schutz, den ich ihr anbieten kann, ist mein Name.« Leo trank seinen Brandy aus und stellte das Glas beiseite. »Was weißt du über diese Großmutter und die Tante?«
»Die alte Hexe ist unlängst verstorben. Die Tante Althea Hutchins hat den Laden übernommen. Ich habe meinen Assistenten Valentine hingeschickt, um die Lage zu überprüfen, und er kam einigermaßen angeekelt zurück. Offensichtlich hat Mrs. Hutchins, wohl in der Absicht, das Geschäft ein wenig zu beleben, den Laden in eine Art Peitschenpuff verwandelt, wo auf alle nur erdenklichen Verderbtheiten eingegangen wird. Die glücklosen Frauen, die dort arbeiten, sind zu heruntergekommen und zu verbraucht, um in anderen Freudenhäusern eine Anstellung zu finden.« Harry kippte den restlichen Brandy hinunter. »Die Tante scheint erkrankt zu sein, höchstwahrscheinlich an einer unbehandelten venerischen Krankheit.«
Leo blickte ihn mit wachen Augen an. »Hast du Marks davon erzählt?«
»Nein, sie hat nie gefragt. Ich glaube nicht, dass sie es wissen möchte.«
»Sie hat Angst«, erwiderte Leo in ruhigem Ton.
»Wovor?«
»Davor, was beinahe aus ihr geworden wäre. Vor Dingen, die Althea ihr eingeredet hat.«
»Und die wären?«
Leo schüttelte den Kopf. »Sie hat es mir im Vertrauen erzählt.« Er musste lächeln, als er Harrys offensichtliche Verärgerung bemerkte. »Du kennst sie seit vielen Jahren, Rutledge – worüber habt ihr euch in Gottes Namen unterhalten, wenn ihr beisammen wart? Steuern? Das Wetter?« Er stand auf und nahm seinen Mantel. »Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest, ich werde mir ein Zimmer geben lassen.«
Harry hob erstaunt die Brauen. »Hier?«
»Ja, wo sonst?«
»Was ist mit dem Reihenhaus, das du immer mietest?«
»Das ist im Sommer geschlossen. Aber ich würde mich so oder so hier einquartieren.« Ein Lächeln huschte über Leos Gesicht. »Sieh es als eine weitere Chance, die Nähe deiner Familie zu genießen.«
»Ich genieße es weit mehr, die Familie im verdammten Hampshire zu wissen«, sagte Harry noch, als Leo das Apartment verließ.
Zweiundzwanzigstes Kapitel
»In einem Punkt muss ich Harry recht geben«, sagte Poppy zu Catherine, während sie durch die Gärten auf der Rückseite des Hotels schlenderten.
Entgegen der neuesten Mode, die eine Vorliebe für eine romantische Gartengestaltung aufwies – ohne erkennbare Ordnung, mit scheinbar wild gewachsenen Blumenbeeten und Wegen, die sich zwischen ihnen hindurchschlängelten –, waren die Rutledge-Gärten klar strukturiert und prächtig. Akkurat geschnittene Hecken bildeten labyrinthische Gänge, die einen durch ein sorgfältiges Arrangement von Brunnen, Skulpturen, Parterreanlagen und kunstvolle Blumenbeete führten.
»Es ist eindeutig an der Zeit«, fuhr Poppy fort, »dass er dich den Leuten als deine Schwester vorstellt. Und auch, dass du dich zu deinem richtigen Namen bekennst. Apropos, wie lautet er?«
»Catherine Wigens.«
Poppy dachte darüber nach. »Ich bin sicher, es ist eine Frage der Gewohnheit, aber … ich finde Marks besser.«
»Ich auch. Catherine Wigens war ein verängstigtes Mädchen in schwierigen Verhältnissen. Ich war viel glücklicher als Catherine Marks.«
»Glücklicher?«, erkundigte sich Poppy vorsichtig. »Oder bloß weniger verängstigt?«
Catherine lächelte. »Ich habe in den letzten Jahren sehr viel über das Glück erfahren. In der Schule habe ich meinen Frieden wiedergefunden, wenn ich auch zu still und zurückhaltend war, um Freundschaften zu schließen. Das
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