Kuss mich kuss mich nicht
unterbrach sie mit einem endlos langen Kuss. »Lass uns eine Woche fahren.«
Als er ihr breites Lächeln sah, dachte er, dass es vielleicht keine schlechte Idee wäre, wenn sie sogar noch länger wegbleiben würden.
Ein paar Tage später lagen sie in ihrem Bett, und obwohl Callie bereits die Augen zugefallen waren, meinte Jack: »Ich möchte dich was fragen.«
»Was?«
»Warum hast du so lange gewartet, bevor du zum ersten Mal mit einem Mann ge…, intim geworden bist?«
Im ersten Augenblick wusste sie nicht, was sie darauf erwidern sollte. Natürlich würde sie die Wahrheit sagen, nur wusste sie nicht, wie.
»Nun, abgesehen davon, dass ich ein ziemlich zurückhaltender Mensch bin, musste ich neben dem College und der Uni immer arbeiten, hatte also praktisch rund um die Uhr zu tun. Und als ich mit meinem Studium fertig war, wurde meine Mutter krank. Sie hatte Multiple Sklerose, und je schlechter es ihr ging, umso seltener konnte ich sie alleinlassen. Für eine Pflegerin hat uns das Geld gefehlt.« Sie zuckte mit den Schultern. »Für eine Beziehung braucht man Zeit und Energie, und ich hatte weder das eine noch das andere.«
»Du hättest dich nicht allein um deine kranke Mutter kümmern müssen sollen«, erklärte er in missbilligendem Ton. »Was war mit deinem Vater? Wo hat er damals gesteckt?«
»Er war, ähm, in einer schwierigen Situation.«
Jack stützte seinen Kopf auf seine gesunde Hand, legte den Gips auf dem Kopfkissen ab und bedachte sie mit dem für ihn typischen durchdringenden Blick.
»Dann hast du sie also wirklich ganz allein versorgt?«
»Ich hatte keine andere Wahl«, erklärte sie. »Ich habe mich einfach durchgewurschelt, mal mit mehr und mal mit weniger Erfolg. Oft habe ich den Druck fast nicht mehr ausgehalten und hätte alles getan, um von meiner Mutter fortzukommen. Ich habe noch immer ein schlechtes Gewissen, wenn ich daran denke, was mir damals manchmal für Gedanken durch den Kopf gegangen sind. Sie hat es sich schließlich nicht ausgesucht, krank zu werden, zu leiden, immer hilfloser zu werden, bis sie starb. Doch ich kam mir so … gefangen vor. Ich wollte sie nicht alleinlassen, denn ich hatte Angst, dann würde irgendwas passieren, aber manchmal wollte ich einfach nur noch raus. Ich schätze, ich hätte es besser machen können. Ich …«
»Du bist bei ihr geblieben«, widersprach er ihr. »Das ist das Einzige, was zählt.«
Sie seufzte leise auf. »Ich wünschte, ich könnte die Uhr zurückdrehen und es besser machen.«
»Ich finde, du bist zu streng mit dir.« Er küsste sie sanft auf den Mund. »Und ich verstehe einfach nicht, wie dein Vater tatenlos mit ansehen konnte, dass du dich derart abgerackert hast.«
»Ehrlich gesagt hätte es die Dinge nur verkompliziert, wenn er bei uns gewesen wäre. Denn wenn er da war, hat das unser Leben nicht gerade einfacher gemacht.«
»Was war er für ein Mensch?«
Sie blickte unter die Decke und kam zu dem Ergebnis, dass es wahrscheinlich in Ordnung wäre, gäbe sie ein paar anonyme Einzelheiten preis. »Er war … überlebensgroß. Immer wenn ich mit ihm zusammen war, hatte ich das Gefühl, in der Nähe eines bedeutenden Menschen zu sein. Er war fast so groß wie du, und im Vergleich zu ihm habe ich mich immer vollkommen bedeutungslos gefühlt.«
»Standet ihr zwei euch nahe?«
»Ganz im Gegenteil. Er war sehr selbstbewusst, außer wenn er versuchte, sich mit mir zu unterhalten, denn dann brachte er nur mit Mühe einen Ton heraus. Ich glaube, er ist mir aus dem Weg gegangen, weil ihm nicht gefallen hat, wie er sich fühlte, wenn er mit mir zusammen war. Einflussreiche Menschen fühlen sich nur wohl, wenn sie sich und ihre Umgebung völlig unter Kontrolle haben, glaube ich.«
»Trotzdem finde ich es einfach schändlich, wie er sich verhalten hat«, murmelte Jack. »Womit hat er seinen Lebensunterhalt verdient?«
Sie sah ihm ins Gesicht und suchte nach einer Möglichkeit, das Thema zu beenden. »Er war Geschäftsmann. Aber über diesen Aspekt seines Lebens weiß ich nicht besonders viel.«
»War er oft dienstlich unterwegs?«
»Ich nehme an, das kann man sagen.«
»Und in welchem Bereich hat er gearbeitet?« Als sie ihm keine Antwort gab, runzelte Jack die Stirn. »Du lässt ziemlich viel bei deiner Erzählung aus, nicht wahr?«
Sie schwieg weiter, woraufhin er sie reglos anstarrte.
»Lass uns von etwas anderem reden«, schlug sie schließlich leise vor.
»Okay.«
Sie atmete erleichtert auf, bis er von ihr wissen wollte:
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