Kuss mich kuss mich nicht
»Und warum willst du mir nichts von deinem Vater erzählen?«
Sie spürte, dass sie in eine Abwehrhaltung ging. »Ich will einfach nicht über ihn reden, okay?«
»Vertraust du mir nicht?«
»Was soll das heißen?«
»Wenn du mich das fragen musst, glaube ich, dass ich die Antwort darauf weiß.« Er rollte sich auf den Rücken.
»Ich habe einfach keine Lust, über den Mann zu reden.«
Er drehte seinen Kopf und sah sie wieder an. »Aber vielleicht will ich ja einfach wissen, wer er war.«
Sie setzte sich auf und schlang sich die Arme um die Knie. »Was spielt das denn für eine Rolle? Er ist tot, und die Probleme, die ich mit ihm hatte, liegen hinter mir. Deshalb ist das Thema für mich abgehakt.«
Wieder folgte eine lange Pause.
»Ich glaube, wir müssen miteinander reden, Callie«, meinte er schließlich in einem so grimmigen Ton, dass sie erschreckt zusammenfuhr.
»Worüber?«
»Über uns. Über die Zukunft.«
Sie sah ihn über ihre Schulter hinweg an. Er hatte seinen Kopf auf seine gesunde Hand gelegt, und seine nackte Brust war nur teilweise von ihrem Federbett bedeckt.
»Und wie stellst du dir die Zukunft vor?«, fragte sie und hoffte voller Inbrunst, dass sie die Antwort auch ertrug. Am Abend des Unfalls hatte er gesagt, er dächte, dass er sie liebe, aber bisher hatten sie nicht darüber gesprochen, wie es weitergehen sollte, wenn die Arbeit an dem Bild beendet war.
»Hast du schon einmal daran gedacht, dauerhaft nach Boston umzuziehen?«, wollte er von ihr wissen. »Du könntest hier genauso gut arbeiten wie in New York.«
Langsam kehrte ihr Lächeln zurück. »Das stimmt.«
»Und wir könnten uns weiter regelmäßig sehen.«
Sie atmete erleichtert auf. »Das würde mir gefallen. Das würde mir wirklich gefallen.«
Er packte sie und zog sie abermals auf sich herab.
»Mir auch«, erklärte er ihr dicht an ihrem Mund, gab ihr einen Kuss, machte sich dann allerdings wieder von ihr los.
»Wegen der Wahl.« Er strich ihr das Haar aus dem Gesicht. »Falls ich entscheide zu kandidieren, wird es sicher ganz schön hart. Und falls du mich dabei unterstützen willst, musst du dafür gewappnet sein.«
»Du meinst, ich soll in Deckung gehen, falls sie mit Tomaten nach uns werfen?«
»Nun, ja.« Er lachte leise auf. »Aber ich dachte eher an die Presse. Du solltest dafür gewappnet sein, dass sie Nachforschungen über dich anstellen.«
Eine Woge der Angst stieg in ihr auf und löschte die Erleichterung, die sie noch einen Augenblick zuvor empfunden hatte, aus.
»Was willst du damit sagen?«
»Die Medien und meine politischen Gegner werden mich völlig auseinandernehmen. Meine Vergangenheit, unsere Beziehung, dein Hintergrund – mit alldem werden sie sich gründlich beschäftigen.«
Sie fuhr auf und versuchte, sich vorzustellen, was passieren würde, grübe jemand in ihrer Vergangenheit. Das Geheimnis ihres Vaters, das sie jahrelang gehütet hatte, wäre ein gefundenes Fressen für die Journaille. Sie konnte die Schlagzeilen schon vor sich sehen.
Und dann war da auch noch Grace. Sie hatte ihr versprochen, sie niemals zu verraten, und obwohl sie ihre Halbschwester nicht vorsätzlich verkaufen würde, liefe es am Ende auf dasselbe hinaus. Dann erführe die ganze Welt von der Untreue ihres Vaters, und Grace würde die Zielscheibe weiterer Enthüllungsgeschichten sein.
Auch Jack setzte sich auf, denn er hatte ihre Besorgnis offenbar gespürt. »Natürlich werden sie sich vor allem auf mich stürzen, und Gray und ich werden uns schützend vor dich stellen.«
Sie sah ihn durchdringend an. »Du hast gesagt, falls du kandidierst. Besteht also auch die Möglichkeit, es nicht zu tun?«
Er wirkte ehrlich überrascht. »Warum sagst du mir nicht einfach, was dir solche Sorgen macht?«
Als sie daran dachte, ihm alles zu erklären, schnürte sich ihre Kehle zu. Wahrscheinlich war es besser, wenn sie weiterschwieg. Schließlich betraf die Angelegenheit auch ihre Schwester Grace, und auch wenn Jack und sie befreundet waren, wusste Callie nicht, wie innig diese Freundschaft war. Außerdem hatte sie Grace versprochen, mit keinem Menschen über die Vergangenheit zu reden, und stünde auch weiterhin zu ihrem Wort.
»Ich will einfach nicht, dass irgendwer in meinem Leben rumschnüffelt«, gab sie zurück. »Das ist alles.«
Jack runzelte die Stirn und sah sie reglos an. »Was genau hast du zu verbergen?«
Sie wandte sich ab.
»Sag es mir, Callie.«
»Ich kann nicht.«
Wieder senkte sich angespannte Stille
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