Kuss mich kuss mich nicht
sie, denn schließlich brauchte Callie eine Freundin in dem ungastlichen Haus. »Falls Sie irgendetwas brauchen oder möchten, kommen Sie einfach zu mir. Ich werde dafür sorgen, dass es Ihnen an nichts fehlt. Oh, der Kühlschrank unten in der Küche ist randvoll. Bedienen Sie sich einfach, ja?«
»Danke.«
Elsie starrte sie einen Moment lang an und machte ein Gesicht, als hätte jemand sie gezwungen, einen kleinen Welpen auszusetzen, bis sie schließlich verschwand.
Callie stand wieder auf, sah in den Flur hinaus und fragte sich, wer der geheimnisvolle Thomas war. Der Gedanke, sich im Bad mit jemand Fremdem abwechseln zu müssen, sagte ihr nicht wirklich zu. Aber war bezüglich dieses Jobs bisher überhaupt etwas nach Plan verlaufen? Nein. Weshalb also war sie derart überrascht?
Außerdem war sie nur eine Angestellte und kein Gast. Und einen eindeutigen Vorzug hatte ihre Unterkunft: Die Chance, dass sich Mrs Walker je in diesem Teil des Hauses blicken ließe, war gering.
Weshalb dieses Quartier vielleicht durchaus von Vorteil war.
Artie, der den Raum durchstreifte, unter dem Bett schnüffelte und die Ecken erforschte, hob den Kopf, als wolle er sie fragen, ob es vielleicht endlich in die Küche ging.
»Sorry, Artie, ich muss mich erst häuslich einrichten.«
Der Hund stieß einen Seufzer aus, ließ sich am Fuß des Bettes auf den Boden sinken, legte seinen Kopf auf seinen massiven Vorderpfoten ab und sah ihr beim Auspacken zu.
Callie verstaute ihre bescheidene Garderode in den Schubladen der Kommode und überlegte, wie lange Jacks Mutter wohl bräuchte, bis sie das Haus verließ.
Regel Nummer eins im Umgang mit Tyrannen: Eine gute Vermeidungsstrategie erstickt die meisten Konflikte schon im Keim. Am besten machte sie ganz einfach einen möglichst großen Bogen um die Frau.
Callie dachte an Mrs Walkers arrogantes, missbilligendes Gesicht und grinste.
Genauso machte man es schließlich auch mit jeder anderen Stechmücke.
6
J ack fuhr mit seinem Aston Martin in die heimische Garage und stieg aus. Er hatte viel früher zuhause sein wollen, aber die Verhandlungen mit den beiden Blutsbrüdern liefen weniger erfolgreich als erhofft. Es gab ein paar Probleme mit ihrer Kreditstruktur, aufgrund derer der Erwerb eines möglichst großen, unbeschränkten Anteils an dem Unternehmen so gut wie ausgeschlossen war. Die McKays hatten sich während der Forschungs- und Entwicklungsphase Geld von zahllosen Familienmitgliedern geborgt und im Gegenzug einen beachtlichen Anteil ihrer Aktien an sie verteilt.
Verdammt, er könnte von Glück reden, wenn er ein Viertel der Anteile an dem Laden bekäme, aber der war die Investition in neunstelliger Höhe, die die beiden für den Ausbau ihres Unternehmens brauchten, sicherlich nicht wert.
Er hatte schon vor langer Zeit gelernt, sein Geld nirgendwo zu investieren, wo er es nicht garantiert zurückbekam. Das hatte das negative Beispiel seines Vaters ihn gelehrt. Die ersten Hunderttausend, die sich der Mann von ihm »geliehen« hatte, hatten sich in Wohlgefallen aufgelöst. Danach hatte Jack vor dem Ausstellen jedes Schecks von ihm verlangt, dass er ihm irgendein Grundstück, Haus, Schmuckstück oder Kunstwerk überschrieb.
Gott, sein Vater hatte ihn dafür gehasst. Aber Nathaniel der Sechste hatte den Gedanken noch schrecklicher gefunden, zu irgendeiner Bank zu fahren und dort Leute, die er nie in seinem Haus geduldet hätte, um ein Darlehen anzugehen. Bis zu Nathaniels Tod hatten Jack die Häuser in Wellesley, Palm Beach und den Adirondacks, die Kunstsammlung und die größten Juwelen seiner Mutter gehört. Sein Vater hatte in den Fünfzigern als Millionär begonnen, bei seinem Ableben jedoch nicht mal mehr hunderttausend Dollar auf dem Konto gehabt.
Jack aktivierte die automatische Garagentür und hörte, wie sie sich mit einem leisen Knirschen schloss, während er in Richtung Haustür ging.
Es bedeutete ihm alles, dass das Copley-Porträt endlich wieder in seinen Besitz übergegangen war. Sobald das Gemälde konserviert wäre, würde es an seinen Platz über dem Kamin im Wohnzimmer zurückkehren, wo es bereits gehangen hatte, als sein Bruder und er klein gewesen waren. Mit dem Rückkauf von Nathaniel dem Ersten hatte er den Kreis geschlossen und Ordnung in das finanzielle Chaos, das sein Vater verursacht hatte, gebracht. Endlich, ein für alle Mal.
Er betrat das Haus und rief: »Callie? Hallo?«
Es kam keine Antwort, woraufhin er seine Aktentasche auf den Boden stellte
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