Kuss mich kuss mich nicht
aus seiner gewohnten Bahn geraten war, war das sicher vollkommen normal. Allerdings reichte ein einziger Kuss bestimmt nicht aus, um all seine bisherigen Pläne über den Haufen zu werfen.
Auch wenn dieser Kuss einfach wunderbar gewesen war.
Er würde seine Verlobung nicht lösen. Und er würde Blair auch nicht erzählen, was geschehen war.
Es gefiel ihm nicht zu lügen, aber es gab keinen Grund, sie mit seinem Fehler zu belasten. Dann wäre sie nur verletzt, und solange er nicht vorhatte, sie noch einmal zu hintergehen, wollte er ihr den Schmerz ersparen.
Und es würde nicht noch mal passieren. Er würde nicht alles aufs Spiel setzen, nur weil ihm die Jagd gefiel. Denn das war ganz sicher alles, wobei es bei dem Kuss gegangen war.
Und was machte er mit Callie?
Er atmete zischend aus und dachte, dass es seiner Selbstbeherrschung sicher helfen würde, gäbe es in ihrem Leben einen anderen Mann.
Gray Bennett, dachte er. Er war in der Stadt, alleinstehend und durchaus attraktiv.
Vielleicht wäre ja sein alter Freund jemand, der ihr gefiel. Wenn er die zwei zusammenbringen könnte, hätte er sich nach allen Seiten abgesichert.
Dann wäre er wieder nur für seine Verlobte da. Und Callie wäre durch einen charmanten Verehrer abgelenkt.
Entschlossen ging er weiter Richtung Haus.
Callie sah, wie Jack vor der Garage stehen blieb, den Kopf in den Nacken legte und gen Himmel sah. Eine Zeitlang starrte er die Wolken an, marschierte dann aber zielstrebig weiter über den Hof.
Sie blickte wieder auf die Abstellkammer und sah, dass der Deckel des Containers, den sie geöffnet hatte, auf dem Boden lag. Sie ging hin, machte die Kiste wieder zu, versuchte die Symbolkraft dieser Geste zu verdrängen und fragte sich, ob die Entscheidung hierzubleiben richtig war. Sie ging ihr Gespräch noch einmal in Gedanken durch, und dabei wurde ihr bewusst, dass er ihr nicht versprochen hatte, der Kuss wäre ein einmaliger Ausrutscher gewesen. Der Mann hatte einen grauenhaften Ruf und war obendrein verlobt, deshalb wäre es wahrscheinlich klüger, wenn sie umgehend ihre Siebensachen packen und den nächsten Zug zurück nehmen würde.
Denn sie hatte in Bezug auf diesen Mann ein seltsames Gefühl.
Es heißt Antipathie, sagte sie sich.
»Verdammt.«
Jack Walker war ihr nicht sympathisch, doch das war nicht das Einzige, was sie über diesen Kerl dachte. Am besten gab sie einfach zu, dass er ungeheuer sexy und ein phänomenaler Küsser war.
Aber schließlich machte Übung auch den Meister, sagte sie sich und verzog grimmig das Gesicht.
Dann ging sie zurück ans Fenster und sah auf das düstere Herrenhaus. Der Gedanke, dass sie plötzlich eine Rolle in einem schrecklichen gotischen Drama spielte, brachte sie zum Lächeln, vor allem, als der treue Artie angetrottet kam.
Irgendwie wäre es nicht dasselbe gewesen, wenn er ein Golden Retriever wäre, überlegte sie.
Sie strich über Arties drahtiges Fell und versuchte, sich vorzustellen, wie es wäre, wenn es im Leben dieses Mannes keine andere Frau geben würde. Was hätte sie dann getan?
Sie war eine erwachsene Frau, fühlte sich zu ihm hingezogen, und unabhängig von ihrer altmodischen, romantischen Vorstellung, dass Sex ohne Liebe eine sinnlose, rein sportliche Übung war, fragte sie sich, ob es so schrecklich gewesen wäre, nach einer Reihe heißer Küsse mit ihm ins Bett zu gehen.
Nicht, dass sie seine Fähigkeiten hätte mit denen von jemand anderem vergleichen können, aber sie wusste instinktiv, dass er ein fantastischer Liebhaber war. Er bewegte sich mit einer souveränen Langsamkeit, die sie unglaublich erotisch fand. Bereits bei der Erinnerung daran, wie er ihr Haar beiseitegeschoben und seine Lippen auf ihren Nacken gepresst hatte, fragte sie sich, ob es richtig gewesen war, sich zurückzuziehen.
Okay, in Ordnung, es war geradezu erbärmlich, dass sie diesem Kerl derart verfallen war. Aber was, wenn er die Wahrheit wüsste? Was würde er denken, wenn er jemals herausfände, dass sie noch nie mit einem Mann im Bett gewesen war? Diese Nachricht hatte die Dinge weiß Gott bereits häufig genug verkompliziert.
Sie hatte nicht geplant, mit siebendundzwanzig Jahren noch Jungfrau zu sein, sondern einfach bisher keine Gelegenheit zum Sex gehabt. Jahre der Sorge um ihre Mutter, der Ausbildung und der gleichzeitigen Arbeit, um ihr Studium zu finanzieren, hatten ihr kaum Zeit gelassen, um mit Freundinnen und Freunden auszugehen. Außerdem hatte man ihr von Geburt an antrainiert, sich
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