Kuss mich kuss mich nicht
Türgriff fest.
»Gray und ich waren Zimmergenossen am College. Er ist wirklich nett. Er lebt in New York, doch in den nächsten Wochen wird er hier in Boston sein, und ich könnte mir vorstellen, dass Sie sich gut mit ihm verstehen.«
Jack wollte sie mit einem anderen verkuppeln?
»Natürlich möchte ich Sie nicht unter Druck setzen«, erklärte er und sah sie von der Seite an. »Ich dachte nur, wir könnten ihn mal nach Buona Fortuna einladen. Dann könnten Sie ihn kennenlernen und sehen, ob er Ihnen sympathisch ist.«
Callie sagte sich, das wäre vollkommen normal. So lernten Menschen sich nun einmal kennen. Über gemeinsame Freunde. Kontakte. Geschäftspartner.
Und gleichzeitig bewies sein Vorschlag ihr, dass der Vorfall in der Abstellkammer wirklich nur ein einmaliger Ausrutscher gewesen war.
»Ähm, okay.«
»Gut. Das ist wirklich super.« Damit blickte Jack wieder nach vorne und konzentrierte sich voll und ganz auf den Verkehr.
Am nächsten Morgen hatte Callie ihren Platz vor dem Gemälde eingenommen, als die Garagentür geöffnet wurde und sie gerade rechtzeitig, um den Aston Martin die Einfahrt hinabschießen zu sehen, noch einmal ans Fenster trat. Während sie den Rücklichtern des Wagens hinterherblickte, kam Artie angetrottet und stupste sie mit seinem dicken Schädel an.
An die Arbeit, dachte sie. Schließlich hatte sie alle Hände voll zu tun.
Auch wenn es ihr schwerfiel, sich auf ihren Job zu konzentrieren.
Nachdem Jack und sie am Vortag aus dem Museum zurückgekommen waren, hatte er das Mikroskop in ihr Atelier getragen, später auch die schwere Halogenlampe die Treppe heraufgeschleppt, ihren Arbeitsplatz mit ihr zusammen eingerichtet, das Porträt aus dem schweren Goldrahmen gelöst und ihr unzählige Fragen zu dem Projekt gestellt. Er hatte genau wissen wollen, wie man bei der Reinigung von einem solchen Bild zu Werke ging. Was für Lösungsmittel man verwenden musste, um den Schmutz und die alte Lackschicht zu entfernen. Welcher neue Lack der beste Schutz für die empfindlichen Ölfarben war.
Angesichts der Dinge, die am Morgen vorgefallen waren, hatte es sie überrascht, wie angenehm ihr das Zusammensein mit ihm gewesen war. Er war witzig und charmant gewesen, und sein Lächeln hatte ehrlichen Respekt verraten, als sie auf all seine Fragen eingegangen war. Und am allerbesten war gewesen, dass sie das Gefühl gehabt hatte, er stellte diese Fragen nicht, weil er ihr nicht traute, sondern weil er wirklich wissbegierig war.
Als er sich hatte zum Gehen wenden wollen, hatte sie ihn gefragt, wie die komplizierte Stereoanlage zu bedienen war. Er hatte es ihr zeigen wollen und dabei bemerkt, dass die Anlage nicht funktionierte, woraufhin er auf den Kriechspeicher über dem Atelier gekrabbelt war. Sie hatte ihm beflissen assistiert, während er in dem Bemühen, die Lautsprecher dazu zu bringen, endlich ein Signal von der Anlage zu empfangen, ein ums andere Mal mit seinem Kopf gegen die Dachlatten gestoßen war.
Die Flüche, die durch die Decke gedrungen waren, hatten sie in höchstem Maße amüsiert, und als er, Spinnweben im Haar und den teuren Anzug voller Staub, wieder bei ihr unten erschienen war, hatte sie laut lachen müssen, auch wenn das bestimmt nicht nett gewesen war.
Doch zumindest hatte die verdammte Stereoanlage wieder funktioniert.
Bis sie schließlich ins Haus zurückgegangen waren, hatte der Koch das Abendessen bereits wieder fortgeräumt, und Jack hatte ein paar Reste aus dem Kühlschrank genommen, zu lange in die Mikrowelle gestellt, und lachend hatten sie auf dem gummiartigen Hühnchen herumgekaut. Die hoffnungslos verkochten, schlabberigen grünen Bohnen allerdings hatten sie gar nicht erst probiert.
Sosehr sich Callie auch dagegen sträubte, genoss sie das Zusammensein mit ihm.
Sie schüttelte den Kopf und kehrte zurück zu dem Porträt. Sie musste wirklich anfangen.
Sie schob das Mikroskop über die obere rechte Ecke des Porträts und drehte an den Knöpfen, bis sie die Struktur nicht mehr verschwommen sah. Dann überprüfte sie die Risse in der Farbe und prägte sich das Muster, die Richtung und die Tiefe ein. Zentimeterweise suchte sie die Oberfläche des Gemäldes ab und notierte den Zustand des Lacks, der Farbe und der Leinwand in einem kleinen Buch. Diese Dokumentation war der erste Schritt bei jeder Konservierung, hatte sie Jack erklärt.
Als sie zu dem Spiegel kam, den Nathaniel hielt, schob sie das Mikroskop verwundert noch ein wenig näher an das Bild
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