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Kuss mich kuss mich nicht

Kuss mich kuss mich nicht

Titel: Kuss mich kuss mich nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bird Jessica
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Schildpattbrille von seiner Nase nahm, waren so schön und so gepflegt wie die von einer Frau.
    Das also war Gerard Beauvais, dachte Callie, als sie eine dieser Hände nahm, und versuchte, nicht vor Ehrfurcht zu erstarren, weil sie plötzlich diesem Meister ihres Berufsstandes persönlich gegenüberstand.
    »Bitte, kommen Sie herein.« Lächelnd bat Beauvais sie in den Raum, in dem es sechs Arbeitsplätze gab, an denen sechs kitteltragende Personen mit atemberaubenden Kunstwerken beschäftigt waren. Callie sah einen Pissarro und einen David, die in Schraubstöcken klemmten, sowie mehrere liegende Gemälde, und der Geruch der Chemikalien, der ihre Nase kribbeln ließ, erinnerte sie an ihre Zeit an der New Yorker Universität.
    Nur, dass dies kein Seminarraum war.
    Dies hier war der Ort, an dem Beauvais den mit Säure bespritzten Fra Filippo Lippi sorgfältig restauriert hatte. Er hatte zwei Jahre gebraucht, um einen Weg zu finden, auf dem sich der Schaden so gut es ging beheben und das, was von dem Bild übrig gewesen war, konservieren ließ, aber die Mühe hatte sich gelohnt. Außerdem hatte er in diesem Labor eins von da Vincis seltenen Selbstporträts stabilisiert. Da Vincis Experimente mit Farben bedeuteten, dass seine wunderbaren Werke gelegentlich abblätterten oder verblassten, Beauvais Beschäftigung mit der chemischen Zusammensetzung der Ölbilder des Meisters dagegen hatte die Arbeit der Restauratoren revolutioniert.
    »Ihre Mutter hat sich wieder einmal als ungeheuer großzügig erwiesen«, sagte Gerard zu Jack.
    Jack setzte ein schmales Lächeln auf. »Das kann ich mir vorstellen.«
    »Ich meine, es ist wirklich edel, dass sie uns das Walker-Porträt nach der Konservierung als Leihgabe überlassen will. Neben Copleys Paul Revere wird es sich hervorragend machen, glauben Sie nicht auch? Die beiden ergänzen sich auf eine geradezu ideale Art.« Lächelnd fragte Beauvais: »Wenn es so weit ist, werden wir eine Party organisieren, ja? Weil Nathaniels Rückkehr nach Boston schließlich gebührend gefeiert werden muss.«
    Anders als Beauvais bemerkte Callie Jacks mit einem Mal verschlossenen Blick.
    »Und Sie«, wandte sich Beauvais an sie. »Ich bin ein guter Freund von Professor Melzer. Obwohl er mit Lob sehr sparsam ist, hat er von Ihnen regelrecht geschwärmt. Sie können es sicher kaum erwarten, endlich mit der Arbeit zu beginnen, stimmt’s?«
    Sie spürte, dass sie errötete. Oder vielleicht bedeutete das Kribbeln auch, dass alles Blut aus ihrem Gesicht gewichen war. »Ich werde mir alle Mühe geben, aber offen gestanden bin ich ein bisschen nervös.«
    »Gut. Gut, gut! Das sollten Sie auch sein.« Er fuchtelte mit seiner Brille vor ihrem Gesicht herum. »Wir alle sollten uns der Leinwand mit ruhigen Händen, einem wachen Geist und klopfendem Herzen nähern. Denn das ist ein Zeichen dafür, dass einem bewusst ist, was man für ein Gemälde tun oder in welchem Ausmaß man ein Meisterwerk zerstören kann, wenn man nicht vorsichtig und voller Ehrfurcht damit umgeht. C’est bon!«
    Als er sie strahlend ansah, war sie sich nicht sicher, ob sie ihre Angst genauso optimistisch sah wie er, doch wenigstens ließ ihre Aufregung ein wenig nach.
    »Und jetzt erzählen Sie mir von dem Bild. Haben Sie es schon untersucht?«, fragte er gespannt.
    Sie räusperte sich leise, denn sie kam sich wie bei einer mündlichen Prüfung vor.
    »Die Leinwand ist in einem guten Zustand, und die Farbe hält sich an den meisten Stellen noch sehr gut, allerdings ist der Lack schmutzig und vergilbt. Technisch wird die Konservierung sicher nicht besonders kompliziert, aber die Bedeutung des Porträts macht die Arbeit trotzdem zu einer großen Herausforderung.« Der Enthusiasmus verlieh ihrer Stimme einen warmen Klang. »Das Werk stammt offensichtlich aus der Zeit, bevor Copley nach London ging, denn der Stil ist noch nicht ganz ausgereift. Trotzdem sind die Pinselführung und die Farbzusammenstellung geradezu unglaublich. Ich kann es kaum noch erwarten zu entdecken, wie Nathaniels Gesicht unter dem alten Lack aussieht.«
    »Sonst noch was?«
    Sie starrte Beauvais an. Sein Lächeln war noch immer freundlich, gleichzeitig jedoch sah er sie forschend und neugierig an.
    »Bisher noch nicht.« Sie zögerte. »Gibt es etwas, worauf ich besonders achten sollte?«
    Er zuckte mit den Schultern, sprach aber mit leiser Stimme und einem Seitenblick auf Jack, der in die Betrachtung des David versunken war. »Ich habe mir das Bild selbst mal

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