Kuss mich kuss mich nicht
sie auf alle Fälle einen Schluck vertragen. »Ja, bitte«, antwortete sie. »Aber lieber weißen, wenn Sie nichts dagegen haben. Mein Kopf mag Rotwein leider nicht.«
Er trat vor einen Weinkühlschrank, zog eine Flasche daraus hervor und entkorkte sie am Tisch. Ihr Blick ruhte dabei auf seinen Händen, zog die dicken Venen, die von seinen Armen bis zu seinen Fingern liefen, nach, und sie dachte daran, wie er ausgesehen hatte, als er von seiner morgendlichen Laufrunde gekommen war. Nassgeschwitzt und herrlich muskulös.
»Finden Sie es hier drinnen auch so warm?«, fragte sie ihn.
»Soll ich ein Fenster aufmachen?«
Sie schüttelte den Kopf, und er schenkte ihr ein, setzte sich wieder hin und prostete ihr zu.
»Auf Nathaniel.«
»Auf Nathaniel.« Sie stießen miteinander an, sahen einander in die Augen, und sie hatte das Gefühl, dass sich diese Szene völlig von ihrer gewöhnlichen Routine unterschied.
Eilig hob sie ihr Glas an ihren Mund. »Gütiger Himmel. Was ist das für ein Wein?«
Er sagte etwas auf Französisch und fügte das Jahr hinzu, in dem sie volljährig geworden war.
»Er ist, ah – wirklich gut.« Einen derart hervorragenden Wein hatte ihr nie zuvor jemand serviert.
Und auch als sie die Nudeln kostete, stieß sie ein wonnevolles Stöhnen aus.
Jack sah auf. »So geht’s mir auch. Der Mann ist einfach ein Genie.«
»Wie lange kennen Sie ihn schon?«
»Er ist schon seit den Siebzigern bei uns im Haus. Er könnte problemlos auch in einem Sterne-Restaurant sein Geld verdienen, aber er arbeitet lieber allein. Aber wie steht es mit Ihnen? Haben Sie Geschwister?«, lenkte er die Sprache abrupt auf sie.
Callie würgte an dem Mundvoll Nudeln, der mit einem Mal jeden Geschmack verloren hatte, und trank, um ein wenig Zeit zu schinden, einen zweiten Schluck von ihrem Wein.
»Eine Halbschwester«, erwiderte sie ruhig.
»Stehen Sie einander nahe?«
»Hm, das ist ein bisschen kompliziert. Aber ich habe sie sehr gern.«
Er nickte und ließ das Thema fallen, sprach dann allerdings etwas an, was ihr vollends den Appetit verdarb. »Und wie steht es mit Ihren Eltern? Wie sind die?« Er wickelte lässig ein paar Nudeln mit der Gabel auf, doch sie wusste ganz genau, er wartete gespannt darauf, dass sie ihm eine Antwort gab.
»Sie sind beide nicht mehr am Leben.«
Er ließ seine Gabel wieder sinken. »Das tut mir leid.«
Sie zuckte mit den Schultern. Im gedämpften Kerzenlicht verspürte sie den lächerlichen Wunsch, sich ihm anzuvertrauen. Ihm wenigstens von ihrer Mutter zu erzählen. Dann aber blickte sie auf den leeren Platz, der für seinen Freund gedacht gewesen war, und erinnerte sich daran, dass sie nur aus reinem Zufall abermals mit ihm allein zusammensaß. Und dass dies eindeutig kein magischer Beginn einer Beziehung zwischen ihnen war.
»Danke, aber ich komme auch alleine klar.«
»Und an wen wenden Sie sich, wenn Sie mal Hilfe brauchen?«, fragte er. »Wer ist dann für Sie da?«
Wieder trank sie einen Schluck von ihrem Wein. »Ich, ähm – ich weiß nicht, wie ich diese Frage beantworten soll.«
»Versuchen Sie es doch einfach mit irgendeinem Namen«, schlug er ihr ein wenig spöttisch vor.
Lächelnd dachte sie, dass er, wenn er scherzte, beinahe unwiderstehlich war.
»Ich bemühe mich immer, möglichst autonom zu sein.«
Obwohl er die Stirn in Falten legte, legte er zugleich den Kopf ein wenig schräg und wollte von ihr wissen: »Und auf welchen Männertyp fahren Sie ab?«
Sie war ehrlich überrascht. »Auf welchen – meine Güte, keine Ahnung.«
»Also bitte, es muss doch irgendwelche Eigenschaften geben, die Ihnen besonders wichtig sind. Gutes Aussehen, Humor, eine dicke Brieftasche …«
»Eine dicke Brieftasche ganz sicher nicht.«
Lächelnd griff er nach seinem Glas. »Womit ich aus dem Rennen wäre.«
»Sie sind bereits deshalb aus dem Rennen, weil Sie eine Verlobte haben.« Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, hätte sie am liebsten laut geflucht. »Was ich damit sagen will …«
Jack trank eilig einen Schluck von seinem Wein. »Ich weiß, ich weiß.«
Es folgte ein Augenblick der Stille.
»Also zurück zu Ihnen und den Männern. Welcher Typ sagt Ihnen zu?«
Callie schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Ich habe keinen bestimmten Typ.«
»Den hat doch jeder.«
»Und wie ist dann Ihrer?«, gab sie schnell zurück.
»Eins zu null für Sie. Wie wäre es allerdings damit, wenn Sie den Anfang machen?«
Sie lächelte einfach und schwieg, woraufhin er lachend
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