Kuss mich kuss mich nicht
etwas von seinem eigenen Filet Mignon spendiert, und vor lauter Dankbarkeit hatte das Tier die Nacht bei ihm verbracht.
»Hallo?«, fragte Jack sie jetzt.
Sie schüttelte den Kopf. »Tut mir leid. He, was ist das für ein fantastischer Geruch?«
»Ich glaube, Thomas hat seine berühmten Nudeln mit Meeresfrüchtesauce gemacht.«
»Thomas?«
»Unser Koch.« Er runzelte die Stirn. »Haben Sie ihn etwa noch nicht kennengelernt?«
»Ich komme fast nie aus meinem Atelier.«
»Bleiben Sie etwa den ganzen Tag dort oben, bis ich nach Hause komme? Essen Sie tagsüber nichts?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Wenn ich bei der Arbeit bin, vergesse ich einfach die Zeit.«
»Sehen Sie denn nie auf Ihre Uhr?«
»Dazu müsste ich erst mal eine haben.«
Knurrend nahm er ihren Ellbogen und schob sie durch den Flur. Die Berührung rief ein Gefühl der Hitze in ihr wach, und sie schloss kurz die Augen, während er sie weiter in die Küche zog.
»Ich glaube, Sie werden Thomas mögen.«
Sie hätte sich am liebsten an ihn angelehnt und kam zu dem Ergebnis, dass es vielleicht besser war, wenn noch jemand anderes zum Abendessen kam. Vielleicht würde sie den Mann ja wirklich mögen und dadurch von ihrer unseligen Schwärmerei für Jack erfolgreich abgelenkt.
Als sie in die Küche kam, stand dort ein einarmiger Mann und goss das kochende Nudelwasser ab. Sie selbst hätte den schweren Topf wahrscheinlich kaum mit beiden Händen halten können, der Mann aber wirkte noch nicht mal angestrengt, während er das Wasser und die Nudeln in das Sieb über der Spüle fließen ließ.
»Thomas, ich möchte dir jemanden vorstellen.«
Der Koch sah über seine Schulter. Er musste um die sechzig sein, hatte, passend zu seinem gedrungenen Körper, das Gesicht von einer Bulldogge, trug einen goldenen Ring im Ohr, und unter dem Ärmel seines kurzärmligen Hemds lugte eine Tätowierung hervor. Callie hätte nie gedacht, dass ein derart unbehauener Bursche Herr über die Küche dieses Hauses war. Sie hätte angenommen, dass ein gertenschlanker arroganter europäischer Drei-Sterne-Koch eher Mrs Walkers Vorstellung entsprach.
Thomas jedoch sah sie mit einem derart breiten Grinsen an, dass er ihr sofort sympathisch war.
»Sie sind also die Person, die mir heimlich Sachen aus dem Kühlschrank klaut«, stellte er fröhlich fest. Er hatte einen ausgeprägten, von flachen Vokalen und harten, langgezogenen Konsonanten geprägten neuenglischen Akzent. »Jeden Morgen, wenn ich runterkomme, fehlen ein paar Stücke Obst aus meiner Schale, ein paar Scheiben Brot und mindestens ein Ei. Als hätte sich jemand heimlich Frühstück gemacht.«
Er stellte den inzwischen leeren Topf zur Seite und trat auf sie zu. Seine weißen Kleider waren makellos, nur das Geschirrtuch, das an seinem Gürtel hing, wies ein paar rote Flecken auf.
Als sie sich die Hand gaben, sah Callie einen tätowierten Anker auf der Innenseite seines Unterarms. Ein Seemann, dachte sie.
»Also, was gibt’s heute zu essen, Chef?« Jack nahm ein paar Teller aus dem Schrank und stellte sie auf den niedrigen Eichentisch, der in der Fensternische stand.
»Nudeln mit meiner Meeresfrüchtesauce. Die ist an kalten Abenden wie diesem genau das Richtige, bevor es in die Falle geht.«
Jack schlug ihm auf die Schulter. »Gott segne dich. Ich habe nämlich einen Bärenhunger.«
»Wäre schön, wenn ich deine Mutter auch mal dazu kriegen könnte, dass sie mehr als einen Löffel isst.« Als Artie angetrottet kam und mit großen Augen zu ihm aufsah, stellte Thomas lachend fest: »Dafür frisst du für zwei, nicht wahr?«
Der Hund leckte sich die Lefzen und wedelte fröhlich mit dem Schwanz.
»Also, was hast du heute Abend vor?«, fragte Jack den Koch, während er ein paar Leinenservietten aus einer Schublade nahm.
»Ich habe ein Date mit der süßen Angelina.«
»Ist sie etwa noch immer aktuell?«
»Eine solche Frau weist man bestimmt nicht ab, mein Sohn. Sie ist …« Thomas machte eine Pause und sah Callie an. »… ähm, eine tolle Gesprächspartnerin.«
Als Callie grinste, nahm er seine Schürze ab und warf sie in den Wäschekorb, der in der Ecke stand. »Ich stelle mich noch schnell unter die Dusche, und dann haue ich ab. Wartet nicht auf mich.«
»Das würde uns nicht im Traum einfallen«, gab Jack zurück.
»Hat mich gefreut, Ihre Bekanntschaft zu machen, Callie.«
Sie winkte ihm zum Abschied zu. »Die Freude war ganz meinerseits.«
Dann wurde mit einem Mal das Licht gedämpft, und sie hob
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