Kuss Mit Sosse
ich eine ganze Woche lang aus.«
Ich mampfte meinen Bagel, und nachdem Hal und Ramon zu unbekannter Mission aufgebrochen waren, goss ich mir meinen zweiten Kaffee ein und setzte mich an meinen Schreibtisch. Abgesehen von ein paar Männern, die nach ihren Doppelschichten einigermaßen mitgenommen aussahen, war alles wie immer. Im Auftrag eines Start-up-Unternehmens in Whitehorse recherchierte ich die Lebensläufe einiger Mitarbeiter. Nach drei Stunden hatte ich dank des neuen Bürostuhls immer noch keinen Krampf im Hintern, dafür war von dem monotonen Starren auf den Bildschirm mein Verstand wie vertrocknet. Um zehn Uhr beendete ich meine Arbeit für Rangeman und holte die Akten von Vinnies drei verbliebenen Kautionsflüchtlingen aus meiner Umhängetasche.
Ernie Dell hatte Feuer an mehreren leerstehenden Gebäuden in der Stark Street gelegt. Dieser Abschnitt der Straße war so trostlos und bar jeder Anzeichen einer zivilisierten Gesellschaft, dass man den Eindruck haben konnte, hier wäre eine Bombe eingeschlagen. Auf solche Gelände wagten sich nur abgefahrene verrückte Typen wie Ernie Dell. Ernie war in meinem Alter, und seit ich ihn kenne, also ungefähr mein ganzes Leben, war er mit einer Statur wie ein Butternusskürbis gestraft. Kleiner, länglicher Kopf, schmale Schultern, breiter Hintern.
Zweiter auf der Liste war Myron Kaplan, 78. Aus irgendeinem Grund, der nicht in der Akte vermerkt war, hatte er seinen Zahnarzt mit der Waffe bedroht und bestohlen. Auf den ersten Blick würde es wohl nicht schwierig werden, ihn festzunehmen, doch bei alten Leutchen wusste man nie, plötzlich entpuppten sie sich als wahre Furien.
Letzter auf der Liste war Cameron Manfred. Wenn ich Ranger um Mithilfe bei einer Festnahme bitten würde, dann wäre Cameron Manfred so ein Kandidat. Er sah nicht gerade aus wie Mamas Liebling. Er war 26, und dies war bereits sein dritter bewaffneter Raubüberfall. Vor zwei Jahren hatte er sich eine Anzeige wegen Vergewaltigung eingefangen, doch die Beweise reichten für eine Anklage nicht aus. Außerdem war er schwerer Körperverletzung bezichtigt worden. Das Opfer, Mitglied einer rivalisierenden Bande, hatte sein Gehör und sein rechtes Auge eingebüßt, und ihm waren obendrein fast sämtliche Knochen gebrochen worden, doch er verweigerte die Zeugenaussage, und am Ende wurde die Klage aus Mangel an Beweisen fallengelassen. Manfred arbeitete für eine Spedition und wohnte in der Sozialsiedlung. Das Polizeifoto zeigte ihn mit zwei Tränen-Tattoos im Gesicht. Bekanntlich ließen sich Gangmitglieder Tränen unter die Augen tätowieren, wenn sie jemanden getötet hatten.
Ich schickte eine SMS an Ranger, dass ich für eine Weile außer Haus sei, zog mir mein Sweatshirt über, klaute mir ein paar Müsliriegel aus der Küche und fuhr mit dem Aufzug in die Tiefgarage. Es war wenig Verkehr heute Morgen, der Himmel war grau, und die Temperatur lag bei zehn Grad, schon recht kühl für September.
Ich hielt vor dem Kautionsbüro an und stellte mich hinter den Pick-up-Truck der Handwerker, die gerade das Schaufenster reparierten. Connie war da, von Lula keine Spur.
»Sie hat eben angerufen«, erklärte Connie. »Sie hätte Probleme mit ihrer Kleidung, aber die wären jetzt geklärt, und sie käme jetzt zur Arbeit.«
Im selben Moment flog die Tür auf, und Lula rauschte herein, in Schussweste und mit Polizeihelm. »Sind wir hier auch sicher?«, fragte sie. »Ihr habt doch auch im hinteren Zimmer nachgeguckt, oder? Ich will kein Risiko eingehen, solange die Chipotle-Killer nicht gefasst sind.«
»Bist du in der Aufmachung durch die Stadt gefahren?«, fragte ich sie.
»Ja. Es war gar nicht so einfach. In der Weste schwitzt man wie ein Pferd. Und der Helm ruiniert meine Frisur. Aber immer noch besser, als sich den Kopf von Kugeln durchsieben zu lassen.«
»Hast du Morelli heute Morgen gesprochen?«
»Ja. Ich kann dir sagen, der war vielleicht schräg drauf. Der soll sich mal wieder einkriegen. Voll stinkig, der Kerl.«
Ich gab mir Mühe, meine Schadenfreude zu verbergen. »Gibt es Fortschritte in der Mordsache?«
»Er sagte, sie verfolgten gerade eine Spur, die aus Trenton wegführt.«
»Nimmst du den Helm auch mal ab, oder willst du ihn den ganzen Tag über tragen?«, fragte Connie.
»Hier drin kann ich ihn wohl abnehmen.«
»Ich will mir heute mal Ernie Dell vorknöpfen«, sagte ich zu Lula. »Kommst du mit?«
»Ist das der Feuerteufel?«
»Ja.«
»Gebongt.«
»Die Schussweste kannst du von
Weitere Kostenlose Bücher