Kussen hat noch nie geschadet
»Tust du doch, und es wird langsam langweilig.«
»Das ist nichts, was man einfach so wegsteckt.«
»Das ist nichts, was du einfach so wegsteckst, weil du es gar nicht willst. Du willst dich lieber an der Vergangenheit festklammern. Du willst, dass ich für immer der Bösewicht bleibe.« Resolut zog er den Reißverschluss der Reisetasche zu und sah sie wieder an. »Ich gebe zu, dass ich ein paar schlimme Dinge getan hab, aber ich dachte, wir wären dabei, das alles hinter uns zu lassen.«
Wie konnte sie das hinter sich lassen? Sie hatte sich aus den Trümmern etwas Neues aufgebaut. Ihr Leben wieder zusammengeflickt, doch es war noch immer da. Es schmerzte nicht mehr, aber sie konnte auch nicht so tun, als wäre es nie geschehen. Der kleine Junge in der Badewanne erinnerte sie ständig daran.
»Jetzt begreife ich, dass ich für den Rest meines Lebens für Las Vegas büßen soll.« Er schnappte sich seine Reisetasche. »Sag Conner, dass ich ihn in ein paar Tagen anrufe.« Damit stolzierte er aus dem Haus, und Autumn starrte ratlos auf die geschlossene Tür. Hatte er recht damit? Wollte sie, dass er für die Vergangenheit büßte? Für immer?
Nein. So eine war sie nicht, aber sie war auch keine Frau, der Verzeihen leichtfiel. Zumal er sie nie darum gebeten hatte.
Am Dienstag nach ihrer Rückkehr aus Moclips holte Natalie Conner vom Kindergarten ab, brachte ihn zum Training mit Sam in die Key Arena und lieferte ihn gegen fünf zu Hause ab. Wenige Tage später holte sie Conner mit seinem kleinen Rucksack bei Autumn ab, damit er das Wochenende bei seinem Dad verbringen konnte.
An jenem Freitagabend traf sich Autumn mit den Ross-Zwillingen in einem Brautmodengeschäft in der Innenstadt, damit Bo Hochzeitskleider anprobieren konnte. Chelsea wollte noch immer ihre Brustverkleinerung abwarten, hatte jedoch jede Menge guter Ratschläge für ihre Schwester parat. Das eine Kleid war ihr zu kitschig, das andere zu schlicht. Sie zankten sich über alles, und Bo probierte bestimmt zehn Kleider an, bevor sie in einem ärmellosen Kleid mit Empire-Taille, dessen Stoff wunderbar elegant fiel, aus der Umkleidekabine trat.
»Oh, Bo«, seufzte Chelsea hingerissen. »Das sieht wunderschön an dir aus.«
Und das tat es auch. Für eine Frau mit ihrer Figur war es perfekt geschnitten. In das Oberteil waren Miederstäbchen eingearbeitet, die ihre schweren Brüste anhoben und ihnen Halt gaben, während der weich fließende Stoff ihren Körper optisch verlängerte.
An jenem Abend schaute Autumn auf dem Display des Festnetztelefons nach, ob Conner angerufen hatte. Fehlanzeige, und als sie ins Bett ging, vermisste sie ihn schrecklich. Am nächsten Tag telefonierte sie mit ein paar Anbietern, um noch ein paar Fragen bezüglich einer kleinen, intimen Wohltätigkeitsveranstaltung zu klären, die sie für dreißig Personen auf einem Anwesen in Medina organisieren sollte. Die Gastgeberin hatte den Wunsch geäußert, dass eine Stunde vor dem Gala-Dinner heiße und kalte Hors d’œuvres serviert werden sollten. Dafür hatten sie die üblichen vier Servicekräfte eingeplant, doch Autumn hatte vorsichtshalber sechs gebucht. Es war schon öfter vorgekommen, dass eine von ihnen nicht aufkreuzte, und da war es immer besser, auf Nummer sicher zu gehen.
Immer.
Als Natalie Conner am Sonntagnachmittag wieder bei ihr absetzte, war es nicht mehr zu übersehen, dass Sam sie mied. Das Verhältnis zwischen ihnen war jetzt wieder so wie vor der Savage-Hochzeit. Dass sie nicht mehr miteinander redeten. Das gefiel ihr nicht. Sie hatte gehofft, dass sie Freunde sein konnten. Eine Freundschaft war unkomplizierter, allerdings war gar kein Kontakt zu Sam eventuell das Beste. Mit Sam befreundet zu sein hatte nur dazu geführt, dass sie sich gegenseitig die Kleider vom Leib gerissen hatten. Und das war schlecht. Oder eher gut. Zu gut, und sie konnte sich selbst nicht über den Weg trauen. Auch wenn sie in keinerlei Gefahr schwebte, sich auf eine weitere Hound-Dog-Hochzeit und ein Handgelenk-Tattoo einzulassen, könnte sie vielleicht, aber nur vielleicht , den Verstand verlieren und ihn lieber mögen als klug war. Und was fürs Geschäft galt, galt auch im Leben. Es war immer besser, auf Nummer sicher zu gehen.
Immer.
Erst am vierzehnten Dezember hörte sie wieder von Sam persönlich. Es war an einem Montag, kurz vor Mittag, und er rief an, um ihr mitzuteilen, dass er nicht mehr auf der Verletztenliste stand und eine Woche lang unterwegs wäre. Als sie seine
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