Kussen hat noch nie geschadet
Seevögel trug der Wind ihr Wortfetzen von ihnen zu. Conners kindliches Lachen vermengte sich mit Sams viel tieferem männlichem Gelächter. Mehr als sein Charme oder die Leidenschaft in seinen blauen Augen oder ihr körperliches Sehnen nach ihm oder Sams Schönheit rührte der Anblick der beiden, wie sie die blonden Köpfe über einem nassen Sandhaufen zusammensteckten, ihr Herz. Sie schwebte in keinerlei Gefahr mehr, sich in Sam zu verlieben. Das hatte sie alles schon hinter sich und ihre Lektion auf die harte Tour gelernt. Dafür schwebte sie jetzt in Gefahr, ihn wirklich zu mögen, und ihn wirklich zu mögen war beängstigend.
Seit der Savage-Hochzeit und dem Nachmittag, an dem Sam Conner zu spät nach Hause gebracht hatte, waren zwei Monate vergangen. Zwei Monate, in denen Sam in Conners Leben präsenter geworden war. Was irgendwie dazu geführt hatte, dass Sam auch in ihrem Leben präsenter war. So präsent, dass sie ihren etwas länger als fünf Jahre andauernden sexuellen Notstand gestern Abend mit ihm auf dem Fußboden im Eingangsbereich beendet hatte.
Sie war nicht gerade stolz auf sich, aber auch nicht so entsetzt, wie sie hätte sein sollen. Wie sie ihm gestern Abend gesagt hatte, war sie vor allem peinlich berührt. Und durcheinander, weil sie den Notstand ausgerechnet mit dem Mann beendet hatte, von dem sie sich nie wieder hatte anfassen lassen wollen. Sie fragte sich noch immer, warum er gestern Abend vor ihrer Tür gestanden hatte. Warum sie ihn ins Haus gelassen hatte und warum er nach wie vor da war.
»Hey, Mom«, rief Conner, der über den Pfad zu ihr hinaufgerannt kam. »Komm und sieh dir die Burg an.«
Sie legte ihre Zeitschrift beiseite; sie hatte gewusst, dass es nur eine Frage der Zeit wäre, bis Conner sie dazu nötigte, die Burg zu bewundern. Also stand sie auf, stieg die Verandastufen hinab und lief ihm entgegen. Sie trafen sich mitten auf dem Weg, der von hohen Gräsern gesäumt war, und sie legte wärmend die Hände auf seine roten Ohren. »Du bist eiskalt. Willst du nicht lieber reingehen?«
Er schüttelte entrüstet den Kopf. »Dad hat mir einen Drachen aus Sand gebaut. Komm mit und schau ihn dir an.«
Sie nahm seine kleine kalte Hand in ihre und lief mit ihm den kurzen Trampelpfad zum Wasser. Die Hände in die Hüften gestemmt, stand Sam vor der »Burg«. Seine Jeans war an den Knien genauso durchnässt und sandig wie Conners, seine Ohren genauso rot.
Der kalte Wind zerzauste seine Haare, und seine Wangen waren schmutzbeschmiert. »Wie findest du sie?«
Autumn legte den Kopf schief und betrachtete die Burg kritisch. Aus der Nähe wirkte sie weniger wie ein Sandhaufen. Sie war quadratisch, mit vier Ecktürmen und einem Burggraben, aber das Beeindruckendste an ihr war die Größe. Wie alles, was Sam machte, war es groß und protzig. »Es war schon immer mein Traum, an einer Besichtigungstour europäischer Burgen teilzunehmen. Wie hätte ich ahnen sollen, dass ich in Moclips eine sehen würde?«
»Du träumst von einer Reise zu alten Gemäuern?«
»Und ob. Ich hab gehört, in Deutschland gibt es die besten und die mit den meisten Gespenstern.«
»Siehst du den Drachen?« Conner deutete auf ein Gebilde, das aussah wie eine Schlange mit einem großen Kopf, die durch den Sand auf die Burg zuglitt. »Er beschützt den Jungen in der Burg.«
»Wovor?«
In die Sonne blinzelnd blickte er unsicher zu seinem Dad auf. »Wovor, Dad?«
»Vor Mädchen.«
Sie lachte und versetzte ihm einen leichten Hieb in den Bauch. Er hielt ihre Hand fest, bevor sie sie wieder wegziehen konnte. »Du bist ganz kalt«, stellte sie fest.
»Neulich in der Key Arena hast du gesagt, ich wäre heiß.«
Mit ihrer freien Hand strich sie die Haare zurück, die ihr der Wind ins Gesicht wehte. »Und heute bist du schmutzig.«
Sam schlang die Arme um sie und hob sie hoch, bis ihre Fersen sich vom Boden lösten. Er presste sein dreckiges T-Shirt an sie und lachte. »Und du bist zu sauber. Du gefällst mir besser, wenn du schmutzig bist.«
»Sam!« Sie drückte fest gegen seine Schultern und versuchte, sich ihm zu entwinden. Aber Sam war größer und stärker, und sie hatte keine Chance.
Er packte sie noch fester und hob sie jetzt richtig hoch, bis ihre Zehen über dem Sand schwebten. Sein heißer Atem fuhr über ihre kalte Wange, als er ihr zuflüsterte: »Wollen wir was richtig Schmutziges machen?«
Sie stemmte sich gegen seine Schultern, aus Angst, noch richtig auf Touren zu kommen, wenn er nicht aufhörte.
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