Kusswechsel
übertroffen wurde. Schade nur, dass es so viele gute Gründe gab, den Truck nicht zu benutzen. An erster Stelle die Tatsache, dass Joe ausflippen würde.
Mein Handy klingelte. »Ich bin’s«, sagte Connie. »Vinnie hat gerade für heute Feierabend gemacht, und seine letzte Anweisung war, dir zu sagen, dass du für Carol Cantell verantwortlich bist. Er will nicht, dass du das verbockst.«
»Klar«, sagte ich. »Du kannst dich auf mich verlassen.« Ich legte auf, stieß einen Seufzer aus und wählte die Nummer von Rangers Spezi, Tank. Das Gespräch war kurz. Ja, Ranger hätte ihm die Instruktion gegeben, mir den Truck zu überlassen. Die Übergabe würde in zwanzig Minuten erfolgen.
Ich nutzte die Zeit, um mein Handeln vor mir selbst zu rechtfertigen. Ich musste auf das Angebot von Ranger eingehen und den Truck annehmen. Mir blieb keine andere Wahl. Wie sollte ich sonst meine Arbeit erledigen? Und wenn ich meine Arbeit nicht erledigte, bekäme ich kein Geld. Und ohne Geld könnte ich meine Miete nicht zahlen. Gut, seit einiger Zeit zahlte meine Schwester die Miete für meine Wohnung, und ich wohnte mietfrei bei Morelli. Aber das konnte sich von heute auf morgen ändern. Was war, wenn Valerie plötzlich auszog?
Ja, was dann? Ich war ja nicht mit Morelli verheiratet. Es konnte doch sein, dass wir uns zerstritten und ich wieder auf mich allein gestellt sein würde. Es war sogar sehr wahrscheinlich, dass jetzt, da ich Rangers Truck als Ersatz bekam, ein großer Streit ausbrechen würde. Das war kein sonderlich erhebender Gedanke. Scheibe! Das Leben war manchmal ganz schön kompliziert.
Der Truck kam pünktlich, im Gefolge ein schwarzer Geländewagen. Tank stieg aus dem Truck aus und übergab mir die Schlüssel.
Tank ist nicht einfach nur ein großer Mann. Das wäre eine grobe Untertreibung. Tank ist, wie der Name schon sagt, ein Panzer. Sein frisch rasierter Schädel ist mit Möbelpolitur eingewienert. Sein Körper ist perfekt geformt und ohne jedes Fett. Sein Hintern ist knackig. Es geht das Gerücht, er hätte einen lockeren Lebenswandel. Das schwarze T-Shirt an ihm sieht aus wie aufgemalt. Schwer zu sagen, was Tank von mir denkt. Ob er überhaupt denkt.
»Wenn es Probleme gibt, ruf mich an«, meinte Tank nur, stieg in den Geländewagen und fuhr los.
Und ich hatte jetzt einen Truck, einfach so. Nicht irgendeinen alten Truck, nein. Hier handelte es sich um einen bösartigen, aggressiven Wahnsinnsviertürer mit übergroßen handgefertigten Aluminiumfelgen, jede Menge Pferdestärke unter der Haube, getönten Scheiben und natürlich GPS. Von den diversen technischen Spielereien, von denen ich keine Ahnung hatte, ganz zu schweigen.
Ich war schon mal mit Ranger in dem Wagen gefahren, und ich wusste, dass er darin eine Waffe versteckt hatte. Ich klemmte mich hinter das Steuerrad, fasste unter den Sitz, und da war sie. Wäre es mein Truck und meine Waffe gewesen, ich hätte die Waffe vorher rausgenommen. Ranger hatte sie an ihrem Platz liegen gelassen. Zeugt von Vertrauen.
Ich drehte den Schlüssel im Zündschloss herum und fädelte mich mit dem Truck in den fließenden Verkehr ein. Der Buick fuhr wie ein Kühlschrank auf Rädern, der Truck dagegen wie ein Monsterporsche. Wenn ich jetzt diesen Truck fuhr, überlegte ich, brauchte ich natürlich auch eine neue Garderobe. Meine Klamotten waren nicht annähernd so cool wie das Auto. Ich brauchte eine schwarze Grundausstattung, und meine Turnschuhe müsste ich gegen Boots austauschen. Aber dann brauchte ich bestimmt auch sexy Unterwäsche, die was hermachte, zum Beispiel einen Tanga.
Ich fuhr quer durch die Stadt, glitt ein paar Häuserblocks weit auf der Hamilton entlang und bog dann nach Burg ab – diesmal die lange Strecke nach Hause zu Joe, ohne die üblichen Abkürzungen. Unangenehmes sollte man immer aufschieben. Morelli würde sich darüber ärgern, dass ich mit Lula losgezogen war, aber dafür hätte er in gewisser Weise auch Verständnis. Dass ich das Haus verlassen hatte, obwohl er mich gebeten hatte dazubleiben, würde eine harmlose Wut in ihm auslösen, die mit einer halben Stunde wildem Zappen am Fernsehgerät abreagiert werden konnte. Der Truck dagegen würde einen regelrechten Sturm der Entrüstung provozieren.
An der nächsten Kreuzung bog ich in die Slater und spürte, wie mein Herz immer wilder pochte. Morelli war zu Hause. Sein Geländewagen stand vor der Tür. Ich stellte mich dahinter und redete mir ein, dass es schon nicht so schlimm werden
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