Kusswechsel
wirklich so schlimm.«
Morelli schaltete den Fernseher aus und kam auf mich zu.
»Was ist denn mit dir passiert?«, fragte er mich und sah sich meine Jeans genauer an.
»Ich musste Roger Banker überwältigen.«
»Und was ist das da in deinem Haar?«
»Hoffentlich nur Hundesabber.«
»Ich verstehe das nicht«, sagte Morelli. »Andere Frauen bleiben gerne zu Hause. Meine Schwester bleibt zu Hause. Meine Schwägerinnen bleiben zu Hause. Meine Mutter bleibt zu Hause. Meine Oma bleibt zu Hause.«
»Deine Oma ist verrückt.«
»Du hast Recht. Meine Oma zählt nicht.«
»Bestimmt wird irgendwann der Zeitpunkt kommen, wo ich liebend gerne zu Hause bleibe. Aber jetzt noch nicht«, sagte ich.
»Dann bin ich also meiner Zeit voraus?«
Ich lachte ihn an und küsste ihn flüchtig auf die Lippen.
»Ja.«
Er zog mich an sich. »Du denkst doch wohl nicht, dass ich so lange warte.«
»Doch.«
»Ich bin ein ungeduldiger Mensch.«
»Das ist dein Problem«, sagte ich und schob ihn von mir.
Morelli kniff die Augen zusammen. »Mein Problem? Entschuldige bitte mal.«
Ich gebe zu, dass mein Ton ein bisschen herrischer war als beabsichtigt. Aber der Tag war nicht gerade toll verlaufen, außerdem fühlte ich mich irgendwie in der Defensive wegen der fremden Substanz in meinem Haar, die vielleicht Sabber war, vielleicht aber auch nicht. Hier hätte ich das Gespräch eigentlich beenden können, andererseits wollte ich in diesem Punkt auch nicht nachgeben. Wenn ich ehrlich sein soll: Ich suchte einen Grund, aus Morellis Haus auszuziehen.
»Ich bleibe nicht zu Hause. Basta.«
»Nix basta«, sagte Morelli.
»Ach, nein? Wenn du basta nicht verstehst – das hier wirst du wohl verstehen«, sagte ich, zeigte ihm den Finger und lief auf die Treppe zu.
»Zeugt von Reife«, sagte Morelli. »Wir schön, dass du dir das alles gut überlegt hast.«
»Das habe ich sehr wohl, und ich weiß auch schon, was ich mache. Ich gehe.«
Morelli kam hinter mir die Treppe hoch. »Du gehst? Was soll das denn nun wieder?«
»Jedenfalls ist das mein vorläufiger Plan.« Ich holte den Wäschekorb aus dem Kleiderschrank und fing an, meine Klamotten hineinzulegen.
»Ich habe auch einen Plan«, sagte Morelli. »Der sieht vor, dass du bleibst.«
»Dein Plan kommt als nächster dran.« Ich kippte die Schublade mit meiner Reizwäsche in den Korb.
»Was haben wir denn da?«, fragte Morelli und hielt ein fliederfarbenes Unterteil eines Trägerbikinis hoch. »Ist das schön! Willst du nicht ein bisschen rummachen?«
»Nein!« Eigentlich hatte ich große Lust rumzumachen, aber es passte mir im Augenblick nicht ins Konzept.
Ich sammelte noch einige Sachen aus dem Badzimmer ein, warf sie in den Wäschekorb und trug alles nach unten. Im Vorübergehen packte ich noch den Hamsterkäfig aus der Küche und stellte ihn oben auf die Kleider im Korb.
»Du meinst es also ernst«, sagte Morelli.
»Ich will nicht jeden Tag darüber streiten müssen, ob ich mich wieder zu Hause verstecken muss oder nicht.«
»Du sollst dich ja nicht für immer und ewig im Haus verstecken. Dich nur mal für einige Tage unsichtbar machen. Und es wäre nett, wenn du dich nicht ständig mit Leuten anlegen würdest.«
Ich hob den Wäschekorb hoch und schob mich an Morelli vorbei zur Tür. »Auf den ersten Blick hört sich das vernünftig an, aber in Wirklichkeit heißt das, dass ich meine Arbeit aufgeben und mich verstecken soll.«
So war es doch. Das war die Wahrheit. Ich wollte nicht jeden Tag als Erstes morgens einen Streit führen müssen. Aber ich wollte auch nicht aufwachen und noch mehr Graffiti an Joes Haus vorfinden. Ich wollte nicht, dass eine Brandbombe durchs Fenster geworfen wurde. Ich wollte nicht, dass einer aus der Slayer-Bande ins Haus einbrach, wenn ich allein war und gerade unter der Dusche stand. Ich brauchte eine Bleibe, die die Slayers nicht kannten. Nicht das Haus von Morelli. Nicht das Haus meiner Eltern. Auch nicht meine eigene Wohnung. An keinem Ort würde ich mich hundertprozentig sicher fühlen. Und ich wollte niemanden in Gefahr bringen. Vielleicht machte ich ja aus einer Mücke einen Elefanten … vielleicht aber auch nicht.
Da stand ich also an der Slater Ecke Chambers, auf dem Beifahrersitz ein hübscher, farblich abgestimmter Martha-Steward-Designer-Wäschekorb, gefüllt mit allen sauberen Wäschestücken, die ich finden konnte, auf dem Rücksitz, hinter mich gequetscht, ein Hamsterkäfig – und wir alle ohne Bleibe.
Morelli hatte ich gesagt,
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