Kutath die sterbende Sonne
noch zwei oben im Sen-Turm!«
»Aye«, meinte einer von ihnen. Hlil ging mit dem anderen wieder hinaus, zählte sie, zählte die draußen, versicherte sich dessen, daß er sie hier alle irgendwo hatte. Alle waren da. Er beruhigte sich, stand mit gekreuzten Armen in der Kälte und sah zu, wie die fertiggemachten Bündel die Stufen hinabgetragen und unten aufeinandergehäuft wurden, ein wenig abseits eines Haufens von Toten.
»Ras!« rief einer von denen unten herauf. Der Kel'en starrte auf ein mitleiderregendes schwarzes Bündel hinab und wandte dann das Gesicht nach oben. » Kel Ras ...«
O Götter , dachte Hlil, verfluchte diesen Mann.
Ras ließ die anderen oben stehen und ging die Stufen hinab, ohne sich zu beeilen, ohne Schrecken zu zeigen. Hlil sah zu und folgte ihr nach einem Moment. Es war Nelan s'Elil, die dort lag; es gab keinen Zweifel. Er stand dabei, als Ras neben dem Körper ihrer Wahrmutter niederkniete, sah zu, wie sie unter den staubigen schwarzen Gewändern das schöne Schwert hervorzog, das von Kov, ihrem Vater, stammte. Die J'tai ließ sie unangetastet, die Ehrenzeichen, die ihre Wahrmutter im Leben errungen hatte; diese wechselten nur bei einer Niederlage, und dergleichen hatte Nelan nie erlitten.
»Ras«, sagte er. Sie saß reglos, das Schwert über den Schoß gelegt, während der Wind Sand in die Falten ihrer Gewänder häufte. Keiner regte sich, weder sie noch Kel Tos'an, der sie gerufen hatte. »Ras«, sagte Hlil wieder.
Sie straffte sich und stand auf, wandte ihm das unverschleierte Gesicht zu, das Schwert gegen die Brust gedrückt. Sie zeigte keinerlei Ausdruck, und einem Freund hätte sogar eine Kel'e'en etwas zeigen können. Hlil wurde verzehrt von der Notwendigkeit, sie von diesem Platz wegzubringen.
»Geh zurück!« sagte er. »Wir können uns nicht um eine Verlorene kümmern und die anderen im Stich lassen. Die Pflicht, Ras.«
Sie nahm die Halterungen des Schwertes in die Hand, hakte ihr eigenes sorgfältig aus und brachte das neue an, legte das, was ihr gehört hatte, an Nelans Körper.
Und ging weg und stellte sich zu den anderen, um sie zu beobachten, ohne Hlil ein Wort gewidmet zu haben.
Auch er ging fort und die Stufen hinauf, ohne zurückzublicken, warf den Kel'ein, die bei ihrer Arbeit innegehalten hatten, mit dem bloßen Gesicht einen finsteren Blick zu. Hastig nahmen sie die Arbeit wieder auf. Er kam oben an, wollte sich umdrehen und hinabschauen.
Und plötzlich kam aus dem Innern des Edun ein Aufblitzen von Energie, ein Lichterflackern.
Alle blieben augenblicklich stehen; es folgte ein Poltern, daß ihnen fast die Herzen stehenblieben.
»Lauft!« brüllte Hlil. Sie liefen los, rasten vor einer Staubwolke davon, die aus der Tür herauswallte. Aber der völlige Einsturz erfolgte nicht.
Die beiden jungen Sen'ein, die sich draußen befanden, setzten an, die Stufen hinaufzurennen. »Nein!« verbot Hlil es ihnen und ging selbst, blieb im Eingang und in dem atemraubenden Staub stehen. »Ihr alle«, schrie er zurück, »bleibt draußen!«
Er zog sich das Ende des Zaidhe als Schleier über das Gesicht und ging in die weiße Wolke hinein, die der Wind so rasch hinwegriß, wie sie herausströmte. Irgendwo drinnen leuchtete kalt eine unbeschädigte Lampe, bot jedoch keine Hilfe in dem wirbelnden Staub. Es war keine ihrer Lampen, sondern eine der energiegespeisten.
Das gesamte Zentrum hatte nachgegeben. Er blickte zur Decke und watete weiter durch den Schutt, berührte nichts, was er vermeiden konnte, und die Membranen seiner Augen zuckten regelmäßig, um den Staub wegzublinzeln und mit unwillkürlich aufsteigenden Tränen in die äußeren Augenwinkel zu waschen.
Bei einer solchen Reinigung sah er, was er gefürchtet hatte, ein weiß eingestaubtes schwarzes Bündel inmitten des Schutts.
»Ros!« rief er, aber es kam keine Antwort, kein Puls war unter seiner Berührung zu spüren; die Finger waren feucht, als er sie zurückzog. Mit krankem Herzen sah er zu der zerstörten Decke auf, von der elektrisches Licht einen blendenden Dunst verströmte, sah zu seiner Linken den Zugang zur Sen-Halle, der ebenfalls beleuchtet war.
»Sen Kadas!« schrie er. Die Antwort bestand nur aus Echos und dem stetigen Rieseln von Verputz.
Er verließ die Leiche des Kel'en, betrat den Zugang und hustete in dem Staub. Überall in dem spiraligen Korridor zeigten sich Risse. Teile der Wände zerbrökkelten unter seiner Berührung. Vorsichtig stieg er zur eigentlichen Sen-Halle empor. Das Fenster
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