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L wie Liquidator

L wie Liquidator

Titel: L wie Liquidator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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Geist bis fünf und öffnete ihn. Ich entnahm ihm überaus vorsichtig den winzigen Überzug aus Syntohaut und streifte ihn mir über den rechten Daumen. Jetzt konnte man meinen Finger nicht mehr von Jonas’ Daumen unterscheiden … das galt jedenfalls für die obersten Zellen, die Fingerabdrücke und den Detektor des Bio-Yale-Schlosses. Ich drückte den Daumen auf den Knopf an der Tür, und diese ging nach einigen Sekunden auf.
    Der Garten duftete nach warmem Harz, und die drei roten Monde, die schon tief am Himmel standen, lieferten genügend Licht. Ich zog kurz die Karte des Gartens und der Überwachungskameras zu Rate, die meinem Gedächtnis eingeprägt war, und orientierte mich; dann begab ich mich zum Hintereingang der Villa, wobei ich geschickt die Alarmeinrichtungen umging. Der synthetische Daumen öffnete mir auch diese Tür, und ich betrat das Haus; es war still wie ein terrestrischer Friedhof an einem Regentag. Ich war schon einmal in dem Haus gewesen und hatte mir die Anordnung der Räume gemerkt.
    Zwei Minuten später stand ich in Jonas’ Schlafzimmer und musterte seinen Körper, der in halber Zimmerhöhe auf einer Druckwolke schwebte. Daß er so tief schlief, wunderte mich: hatte ihn Bertil etwa nicht über das doppelte Fiasko – seines und meines – unterrichtet? Unmöglich. Bertil war kein Idiot. Erst jetzt, nachdem sich meine Augen an das schummrige bläuliche Licht gewöhnt hatten, das die phosphoreszierenden Opale an den Wänden verbreiteten, entdeckte ich die dünne Röhre auf dem Fußboden und die beiden Metallscheiben. Jonas hatte sich ein kostspieliges Traumarrangement geleistet und genoß jetzt im Bett die Euphorie. Vielleicht hatte Bertil versucht, ihn über das Videophon zu erreichen, aber unter diesen Umständen hätte Jonas nicht einmal die Vibroglocken des Vorläufig Letzten Gerichts gehört – vorausgesetzt, daß er praktizierender Angehöriger des positivistischen Christentums war.
    Kurz, Jonas’ Traumrausch erleichterte mir die Arbeit; in diesem Zustand wurde jeder noch so oberflächliche Reiz hundertfach verstärkt, und mir genügte ein einfaches Küchenmesser. Wenn ich über keine chemischen Seren und ähnliche elegante Mittel verfügte, konnte ich ausgezeichnet mit dem ältesten Instrumentarium meines Berufsstandes umgehen.
     
    Knapp eine Stunde später reinigte ich das Vibrobrotmesser an Jonas’ Pyjama und kontrollierte meine Kleidung: kein Tropfen Erbrochenes oder Blut. Wenn ich das Haus verließ, mußte ich noch alle Spuren auf meinen Schuhen beseitigen.
    Ich ließ Jonas’ Leiche auf seiner Wolke aus komprimierter Luft liegen und kehrte auf die Straße zurück. Zwei Blocks weiter hielt ich ein Taxi an und begann mir Jonas’ Geständnis ins Gedächtnis zu rufen. Die Dinge hatten sich mehr oder weniger so abgespielt, wie ich angenommen hatte: zuerst hatte er von Bertil Geld dafür genommen, daß er einige seiner Aktionen übersah, dann hatte er begonnen, falsche Meldungen über ihn einzusenden, und als wir schließlich trotz Jonas’ Bemühungen beschlossen hatten, Bertil zu liquidieren, hatte er ihm geholfen, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Mein Tod hätte zufällig wirken sollen; nach Bertils scheinbarem Verschwinden und Jonas’ Bericht hätte Neu-Langley keinen Verdacht geschöpft. Ein ziemlich primitiver Plan, aber sie hätten damit Erfolg haben können; sobald Bertil ausgeschaltet war, hätte die Zentrale die Mission als geglückt betrachtet und mein Verschwinden als bedauerlichen Zwischenfall ad acta gelegt. Vielleicht hätte sie nicht einmal Nachforschungen nach mir eingeleitet, wenn Jonas überzeugend gewirkt hätte.
    Mir war jetzt vor allem daran gelegen, persönlich den Schlußpunkt in Bertils Akte zu setzen, und da Jonas so freundlich gewesen war, mir seine wirkliche Adresse zu verraten, hatte ich vor, mich so rasch wie möglich damit zu befassen … und dabei die kleinen ferngesteuerten Sprengladungen zu verwenden, die ich in Jonas’ Waffenkammer gefunden hatte.
    Ich ließ das Taxi einen Häuserblock nach dem modernen Gebäude, in dem Bertil seinen Schlupfwinkel hatte, anhalten, und benutzte das Videophon neben dem Fahrersitz. Aus der automatischen Halle des Hotels antwortete sofort eine leicht metallisch klingende Stimme, während auf dem Bildschirm das rote Dreieck erschien, ein Hinweis darauf, daß man mit einem Automaten verbunden war.
    »Ich möchte mit Fräulein Lyvia Mercher, Zimmer vierhundertzweiundzwanzig, sprechen.«
    Eine kurze Pause.
    »Fräulein

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