Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
L wie Liquidator

L wie Liquidator

Titel: L wie Liquidator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
Vom Netzwerk:
an den Knöcheln gerafften Hosenbeinen, die in diesem Jahr große Mode waren und in der geringen Schwerkraft des Mondes besonders gut zur Geltung kamen. Der Butler hatte an einem Rundtisch gedeckt. Sie nahm Platz und warf einen Blick auf die schimmernde Erdkugel, die über dem Kraterrand stand. »Bevorzugen Sie diesen Raum, weil er Ihnen den Mond nahebringt oder die Erde?«
    »Die Sterne«, entgegnete Ashendene.
    Der Butler schenkte Wein ein und servierte das Abendessen. Er glitt leise und beflissen wie ein Roboter über den Leuchtboden. Im Hintergrund erklang leise eines ihrer Werke – Könige der Luft. Die Streicher hatten die Nukleotiden-Sequenzen der stolzen Raubvögel übernommen.
    »Wie kamen Sie darauf, DNS-Moleküle als Grundlage für Ihre Partituren zu verwenden?« fragte Ashendene.
    Cimela nahm einen Schluck Wein. Er war wie Mondlicht, hell und leicht, mit einem schwachen Anflug von Süße. »Mein Vater schenkte meiner Mutter zum Geburtstag einmal eine Karte mit einer Notenschrift. Diese Noten entsprachen genau den Nukleotiden-Sequenzen, die Mutters Haar-, Haut- und Augenfarbe gebildet hatten. Ich erinnere mich noch genau, wie er sagte: ›Dieses Lied – das bist du!‹ Das faszinierte mich. Ich begann mit DNS-Melodien zu experimentieren. Selbst die Stücke, die ich damals für Rococo Roos schrieb, enthielten bereits DNS-Themen. Und später, als ich Musik für ausgestorbene oder vom Untergang bedrohte Tierarten zu komponieren begann, erschien es nur logisch, diese Geschöpfe in ihrer Ursubstanz zu Gehör zu bringen. So beruhen die Leitmotive in meiner Sinfonie Welt der Urzeit auf den Nukleotiden-Sequenzen von Haien, Echsen, Ameisenigeln und Schnabeltieren.«
    Ashendene lachte. »Es ist verblüffend, wie harmonisch die Musik bei all den Einschränkungen klingt. Noch mehr erstaunt mich allerdings, welche tiefe Gemütsbewegung sie bei den Zuhörern hervorruft.«
    Das überraschte auch Cimela immer wieder. »Ein Freund von mir entwickelte einmal nach ein paar Gläsern Alkohol eine Theorie dazu. Er erklärte die Reaktion als eine Folge der Resonanz tief in unserem Unterbewußtsein: Wir spüren irgendwie die Ähnlichkeit der genetischen Struktur. Die These erscheint mir nicht schlechter als die meisten anderen. Deshalb bin ich besonders gespannt darauf, wie die Menschen den genetischen Kode von Außerirdischen aufnehmen werden.«
    Die Mondstaub-Augen flirrten. »Vermutlich empfinden sie das gleiche wie bei Erdgeschöpfen – vorausgesetzt, Sie verwenden die Instrumente der Menschen.«
    Sie runzelte die Stirn. Die Instrumente der Menschen? Konnte das falsch sein? Vielleicht paßten zu den Fremden nur neue, exotische Klänge. Sie mußte den Synthesizer zu Rate ziehen. Dabei fiel ihr ein, daß sie die geeigneten Klangfarben vermutlich leichter fand, wenn sie sich ein Bild von den Sternenwesen machen konnte. »Mister Ashendene, könnten Sie mir eine Filmoder Holo-Aufzeichnung der Fremden zur Verfügung stellen?«
    Er trank einen Schluck und zuckte dann die Achseln. »Die sind nicht besonders aussagekräftig.«
    Cimela winkte ab. »Das spielt keine Rolle. Ich benötige einfach eine Basis für meine Video-Spur.«
    »Die Toten waren so verstümmelt, daß wir kein klares Bild über das Aussehen der Fremden gewinnen konnten. Der DNS-Kode stammt von einigen wenigen Zellen, die so rasch gefroren, daß die innere Struktur erhalten blieb.«
    »Selbst stark verstümmelte Tote helfen mir weiter«, beharrte sie. »Waren die Geschöpfe groß oder klein? Wie viele Gliedmaßen besaßen sie? Welche Kleidung trugen sie? Wie sah ihr Schiff aus?«
    Die Mondstaub-Augen hielten einen Moment lang ihren Blick fest; sie wirkten nachdenklich. »Ich verstehe, was Sie meinen. Es gibt einige Holos von dem Schiff, die ich Ihnen morgen früh bringen lasse. Und wir arbeiten im Moment gerade an einer Computer-Rekonstruktion der Aliens, die sich auf die Skelettüberreste stützt. Auch diese Bilder werden Sie bekommen, sobald sie fertig sind. Bis jetzt läßt sich nur sagen, daß die Fremden etwas kleiner als wir sind und vermutlich ein bronze- oder goldfarbenes Gefieder besitzen.«
    Eine Rasse goldener Vögel? Cimela lächelte begeistert. Dann konnten vielleicht Flöten und Streicher das Leitmotiv übernehmen. Oder ein Glockenspiel? Der Gedanke ließ sie während des Abends nicht mehr los, und als sie in ihr Zimmer zurückgekehrt war, programmierte sie den Synthesizer auf schwebende Klänge.
     
    Cimela setzte den Synthesizer auch weiterhin ein,

Weitere Kostenlose Bücher