Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
L wie Liquidator

L wie Liquidator

Titel: L wie Liquidator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
Vom Netzwerk:
Flair des internationalen Premierenpublikums an. Die Damen trugen kostbaren Schmuck und teure Kleider, die Herren elegante Jumpsuits, Kimonos oder Dashikis … aber es war weder der Glanz noch der Klang der Namen, der Cimelas Herz schneller schlagen ließ. Ein Fluidum der Macht hüllte die Gruppe ein. Cimela plauderte mit den Männern und Frauen, die das Weltgeschehen bestimmten und deren Einfluß bis an den Rand des Sonnensystems reichte.
    Die Szene war so surrealistisch wie manche von Ashendenes Gemälden: die Tische, mit feinstem Porzellan, Kristall und Silber gedeckt, in einem Kreis auf dem milchigen Glanz des Bodens angeordnet, und am Rande dieses Kreises das Gewirr der Gäste, die ihre Macht so lässig zur Schau stellten wie ihre eleganten Roben und liebenswürdig plauderten, scheinbar unberührt von der Tatsache, daß sie sich im Innern eines Mondkraters befanden. Verborgene Scheinwerfer strahlten die Kraterwände an. Am Himmel war weder die Sonne noch die Erde zu sehen. Die schroffen Zacken des Ringwalls umrahmten ein atemberaubendes Bild der Sterne allein, unermeßlich fern und doch so strahlend hell, daß jede der fremden Sonnen – welche erwärmte eigentlich die Heimatwelt der goldgefiederten Wesen? – Cimela zum Greifen nahe erschien.
    Sie saß neben Ashendene am oberen Ende der Tafel und war so aufgeregt, daß sie kaum merkte, was sie aß. Statt dessen starrte sie hinauf in das majestätische Sternengefunkel und überlegte, wie die Gäste bei diesem erhabenen Anblick an Geschäfte und Klatsch denken konnten. »Werfen sie denn keinen einzigen Blick nach oben?« flüsterte sie Ashendene zu.
    »Vielleicht werden sie es nach dem heutigen Abend tun.« Er umklammerte die Tischkante und setzte sich aufrecht hin. »Meine hochgeschätzten Gäste!« Er wartete, bis die Gespräche verstummt waren und nur hier und da noch ein Dessertlöffel klapperte. Dann fuhr er fort: »Ich danke Ihnen allen, daß Sie meiner Einladung hierher gefolgt sind.«
    Während er sprach, senkte sich im Zentrum des Saals ein Stück Boden und glitt zur Seite.
    »Nun, da wir uns gestärkt haben – ich hoffe, die Speisen und Getränke waren nach Ihrem Geschmack – wird in Kürze das Sinfonie-Orchester von Celestial Village wie versprochen das neueste Werk von Cimela Bediako aufführen.
    Zuvor aber möchte ich Ihnen den Geschäftsvorschlag unterbreiten, auf den Sie sicher alle bereits mit Spannung warten. Machen wir es kurz: Ich biete Ihnen die Sterne an!«
    Cimela sah, daß einige der Anwesenden die Stirn runzelten, aber ehe sie ihren Unmut zum Ausdruck bringen konnten, entstand ein Flimmern in der Luft. Es stabilisierte sich zu einem Hologramm im Zentrum des Kreises – und es zeigte das zerstörte Schiff der Fremden, eine stumpfe Zigarrenform, umwickelt von einer gerüstähnlichen Spirale. Verblüffung spiegelte sich in den Gesichtern ringsum, und ein Raunen ging die Festtafel entlang, als die Gäste erkannten, wie alt das Schiff war. Ashendene erklärte, was es mit dem Wrack auf sich hatte. Dann löste sich das Bild auf, und an seiner Stelle erschien ein Holo des Außerirdischen, so wie Cimela es das erste Mal gesehen hatte: ein rotierender Umriß, der sich rasch mit Details füllte, mit Struktur und Farbe. Die Gäste schienen den Atem anzuhalten.
    »Es ist uns gelungen, das Prinzip des fremden Schiffsantriebs zu durchschauen«, erklärte Ashendene. »Eine Reise zu den Sternen ist nun in Wochen oder Monaten möglich, anstatt wie bisher in Generationen. Alles, was uns nun noch fehlt, ist eine Gruppe von Geldgebern, die den Bau der neuen Schiffe finanziert.«
    Die physikalischen Gesetze, die den Antrieb ermöglichten, interessierten Cimela ebensowenig wie die Diskussion um die Raumverzerrung. Sie achtete auf das Mienenspiel der Anwesenden, und sie biß sich auf die Unterlippe. Sie hatte schon früher abweisende Gesichter gesehen … bei Kritikern, die ihr Urteil gefällt hatten, noch ehe der Dirigent den Taktstock erhob; bei Leuten, die von vornherein die Überzeugung hegten, daß ihre Musik nichts als ein Modegag war und keinerlei künstlerischen Wert besaß. Ashendenes Gäste dachten nicht daran, ihr Geld in den Bau von Sternenschiffen zu investieren.
    »… Chance, neue Handelswege zu eröffnen«, sagte Ashendene gerade. »Wenn wir diesen Antrieb einsetzen, gehört uns das Universum mit all seinen Profitmöglichkeiten. Aber nun Schluß mit dem Geschäftlichen! Trinken wir noch ein Glas Wein und geben wir uns ganz der Entspannung hin!«

Weitere Kostenlose Bücher