L wie Liquidator
Songschreiberin der Neorenaissance-Gruppe Rococo Roos, später dann der Wechsel zur sinfonischen Musik und vor fünf Jahren die Premiere von Welt der Urzeit im Opernhaus von San Francisco. Wenn ich Sie anstarre, dann nicht nur, weil ich Ihr begnadetes Talent und Ihre Schönheit bewundere, sondern auch, weil ich das Gefühl habe, daß Sie eine Art Rattenfänger-Rolle spielen.«
Cimela riß die Augen auf. »Rattenfänger?«
Walgesänge bildeten einen Kontrapunkt zum Geheul der Wölfe.
»Die Welt der Urzeit entfachte, wenn ich richtig gehört habe, erneut das Interesse für die Dinosaurier«, erklärte Ashendene. »Und Ihre Sinfonien über die Wildtiere der Erde lösten eine regelrechte Artenschutz-Bewegung aus.«
»Hoffentlich!« Sie warf einen Blick auf den schimmernden Saphir des Erdballs, der von fern so makellos aussah. »Wir breiten uns über die ganze Galaxis aus, aber wir zerstören alles, was den Namen Heimat wert wäre.«
»Sie übertreiben. Noch haben wir das Sonnensystem nicht verlassen.«
Cimela zuckte die Achseln. »Weil uns bis jetzt der Antrieb für solche Entfernungen fehlt. Und weil Sternenschiffe unsere ohnehin knappen Metallvorräte noch mehr verringern würden. Außerdem wissen wir nicht einmal, ob es für uns da draußen ein lohnendes Ziel gibt.«
Die Mondstaub-Augen wanderten flüchtig über ihre Züge. »Das sind genau die Ausreden, die wir uns zurechtgelegt haben, weil wir vor den Sternen zurückschrecken. Dabei stimmt keine einzige. Wir haben einen Sternenantrieb, und wir werden da draußen nicht nur neue Welten finden, sondern aller Voraussicht nach auch fremde Lebewesen entdecken.«
Sie hielt den Atem an. »Fremde Lebewesen …«
Ashendene beugte sich vor. »Vor drei Jahren fand ein Metallschürfer, dem ich eine Konzession erteilt hatte, im Asteroidengürtel das Wrack eines Sternenschiffs. Es ist dreitausend Jahre alt.«
Sie hatte mit einemmal eine trockene Kehle. »Aber – wir sind erst vor hundert Jahren zu den Asteroiden vorgedrungen.«
»Genau.« Er lehnte sich wieder zurück. »Meine Wissenschaftler zerlegten das Schiff und enträtselten das Prinzip, nach dem der Antrieb gebaut ist. Ich möchte es nun bei den ersten Sternenschiffen der Menschen anwenden. Deshalb bat ich Sie, hierherzukommen. Ich habe die Absicht, meine Zukunftspläne bei einem festlichen Essen zu verkünden, zu dem ich eine Reihe potentieller Investoren einladen werde. Und für diese Gelegenheit brauche ich eine besondere Musik. Ich biete Ihnen neben einem kostenfreien Aufenthalt für die Dauer Ihrer Arbeit und sämtlichen Nutzungsrechten an dem neuen Werk selbstverständlich ein angemessenes Honorar.«
Die Summe, die er nannte, hätte Cimela zu jeder anderen Zeit geblendet, aber jetzt spürte sie nur den bitteren Schmerz der Enttäuschung. Hintergrundmusik! Das war seine Vorstellung einer einzigartigen Sinfonie? Sie erhob sich. »Nein, vielen Dank. Ich arbeite weder für die Werbung noch schreibe ich Berieselungsmusik!«
Die Mondstaubaugen glitzerten so kalt wie die Kraterwände jenseits der Kuppel. »Wären Sie so freundlich, mich bis zu Ende anzuhören? Soviel Anspruch auf Ihre Zeit habe ich wohl, nachdem ich weder Kosten noch Mühen gescheut habe, Sie hierherzubringen.«
Sie nahm steif auf der Stuhlkante Platz.
Ashendene runzelte die Stirn. »Ich dachte an eine ganz spezielle Musik, an ein langes Stück, das nach dem Dinner von einem richtigen Orchester aufgeführt werden soll – eine Sinfonie auf der Grundlage der DNS. Eine Aufgabe, die nur Sie bewältigen, Miß Bediako. Denn das Schiff, von dem ich sprach – war nicht leer.«
Ein heißer Strahl durchzuckte Cimela wie ein elektrischer Schlag. Im nächsten Moment kribbelte ihre Haut vor Kälte. »Außerirdische …?« wisperte sie.
»Ihre sterblichen Überreste. Ist Ihr Interesse nun geweckt?«
Ihr Herz hämmerte so stark, daß sie seinen Sarkasmus überhörte. Aliens! Geschöpfe, die sich nicht auf der Erde entwickelt hatten! Welche Zellstruktur mochten sie besitzen? Beruhte alles Leben im Universum auf den gleichen Nukleotiden, oder würde ihr genetisches Material eine neue Melodie ergeben? Und Ashendene bot ihr, Cimela Bediako, die Chance, sich als erste mit ihnen zu befassen! »Wann kann ich einen Computer-Ausdruck ihrer Nukleotiden-Sequenzen sehen?« fragte sie atemlos.
Ein schwaches Lächeln zuckte um seine Mundwinkel. »Noch heute. Ich lasse die Unterlagen auf Ihr Zimmer bringen. Ein Computer und ein Synthesizer stehen für Sie bereit.
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