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L wie Liquidator

L wie Liquidator

Titel: L wie Liquidator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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als sie die Besetzung der zweiten und dritten Stimmen ausklügelte. In den Ruhepausen studierte sie die Hologramme des Schiffswracks. Es wirkte nüchtern und zweckmäßig, schmucklos und grau. Die niedrigen Decken, die knapp einen Fingerbreit über den gedrungenen Türbögen begannen, vermittelten ein Gefühl der Enge. Die spärliche Einrichtung bestand aus Tischen und flachen Einheitsgestellen mit gepolsterten Stangen. Als Schlafgelegenheit hatten allem Anschein nach wassergefüllte Bodenmatten gedient. Sonst verrieten ihr die Holos nichts über die Fremden. Sie legte die Aufzeichnungen beiseite.
    Allabendlich begab sich Cimela in Ashendenes Wohnkuppel und leistete ihm beim Essen Gesellschaft. Unter ihnen leuchtete der Boden, über ihnen schien die Erde. Mondwein schimmerte wie flüssiges Silber in ihren Gläsern. Ashendene unterhielt sie mit Anekdoten über seine Zeit als Prospektor im Asteroidengürtel.
    »Die IBFG – die bestand aus mir, fünf guten Kumpels und einer Schrottmühle von einem Raumschiff.«
    Cimela lächelte ihn über das Weinglas hinweg an. »Ich habe den Eindruck, daß Ihnen das Leben damals großen Spaß machte. Weshalb gaben Sie es für einen Schreibtischjob auf?«
    Er zuckte die Achseln und starrte an ihr vorbei in den Nachthimmel. »Die Asteroiden sind nicht mehr als eine Zwischenstation.«
    Nach dem Abendessen tranken sie Tee in seinem Arbeitszimmer, oder er führte sie durch die übrigen Räumlichkeiten des Hauses. Es war wie eine richtige kleine Kolonie angelegt – mit Labors, Werkstätten, Personalunterkünften und einer Hydroponikfarm. Hier draußen war es ihm sicher nicht schwergefallen, die Entdeckung des fremden Schiffs geheimzuhalten und das Wrack in aller Ruhe zu untersuchen. Irgendwann begannen sie sich zu duzen, und in der zweiten Woche ihres Aufenthalts erfuhr Cimela Näheres über seine Vorliebe für die phantastische Kunst.
    »Ich bewundere Menschen, die träumen«, erklärte er. »Auch wenn es Alpträume sind wie bei Bosch. Heutzutage träumen nur noch wenige Menschen. Und da wir gerade beim Träumen sind – wie kommst du mit deiner Arbeit voran?«
    Auf diese Frage hatte sie gewartet. Sie seufzte. »Langsam, wie immer. Die Instrumentierung bereitet mir Kopfzerbrechen. Vielleicht nehme ich für das Leitthema Blockflöte und Samisen …«
    Er riß die Augen auf. »Was?«
    »Das Samisen kommt aus Japan – eine dreisaitige Gitarre mit sehr langem Hals. Die Blockflöte ist ein uraltes Instrument, das wie eine Klarinette gespielt wird. Sie kam etwa zu Bachs Zeiten außer Mode, zumindest eine Zeitlang, bis die Neo-Renaissance sie wiederentdeckte. Sie besitzt einen herrlichen weichen Klang.«
    Eine Falte erschien zwischen den Mondstaub-Augen. »Vergiß aber nicht, daß du dein Werk für die Zuhörer von heute schreibst!«
    Als ob man mit einem alten Instrument keine modernen Klänge hervorzaubern konnte! Aber das kam dabei heraus, wenn man mit einem Nichtmusiker Fachgespräche führte! »Keine Sorge. Bis wann muß ich fertig sein?«
    »Ich würde sagen, der Termin für das Festessen hat sich nach der Musik zu richten. Oh, Albert hatte ich fast vergessen.« Er winkte den Butler näher. »Bringen Sie Cimela bitte den Umschlag von meinem Schreibtisch?«
    Beim Anblick des kleinen grauen Kuverts klopfte ihr Herz schneller. »Die Struktur der fremden Geschöpfe?«
    Ashendene nickte und trank sein Glas leer. »Nun kannst du auch mit dem Holo-Programm beginnen – damit du endlich ausgelastet bist.«
    Sie lachte über seinen sanften Spott, brannte aber innerlich darauf, sich zurückziehen zu können. Ashendene schien ihre Gedanken zu lesen. Er sprach während des restlichen Abendessens wenig und lud sie anschließend auch nicht zum Tee ein.
    Sobald sich Cimela in ihrem Appartement befand, schob sie die Minidisk in den Computer, rollte sich in ihrem Sessel zusammen und wartete. Das Bild erschien Zeile um Zeile, fast so, als würde es erst im Innern des Schirms skizziert. Gleichzeitig rotierte es so, daß der Hintergrund der dreidimensionalen Form durch die Linien der Vorderseite sichtbar blieb. Mit jeder Umdrehung zeigten sich jedoch mehr Details – Federn, Facettenaugen, Fingernägel und schließlich Strukturen und Farben. Ganz allmählich wandelte sich die Computerskizze in das Hologramm eines Aliens um.
    Das Geschöpf stand aufrecht da. Zwei eigenartig abgewinkelte, muskulöse Beine schienen es wie Spiralfedern zu tragen. Es besaß nicht einmal den Ansatz von Schwingen. Kurze, ebenfalls

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