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L wie Liquidator

L wie Liquidator

Titel: L wie Liquidator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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mit merkwürdigen Gelenken ausgestattete Arme waren über der goldenen Brust verschränkt; sie endeten in Händen mit einem Daumen und zwei langen, vielfach gegliederten Fingern. Federgesäumte Ohren standen zu beiden Seiten des breiten Kopfes ab, und über schmalen Nasenschlitzen und einem lächelnden Mund träumten friedliche, opalschimmernde Facettenaugen.
    Cimela stieß einen Seufzer der Befriedigung aus. Es war ein Alien, gewiß, der nichts mit den Menschen gemeinsam hatte – sie erkannte nicht einmal die Funktion der Werkzeuge, die an seinem Gürtel baumelten – aber sie fand ihn durch und durch faszinierend.
    Mit dem Schwung der Begeisterung stürzte sie sich auf die vermehrte Arbeit. Im Laufe der nächsten Wochen entwarf sie mit Unterstützung des Computers Tausende von Bildern, die sie für die Video-Spur speicherte. Gleichzeitig experimentierte sie mit zahllosen Nukleotiden-Sequenzen, die sie auf Dutzende von Instrumenten abzustimmen und anzupassen versuchte … ein stetes Wählen, Feilen, Verfeinern. Sie nahm außer der Sinfonie kaum etwas wahr. Sie lebte, atmete und träumte die Musik. Selbst beim Abendessen mit Ashendene sprach sie nur von der Arbeit.
    Es schien ihm nichts auszumachen. Er hörte ihr aufmerksam zu, und eines Tages, als Cimela von ihrem Computer aufschaute, entdeckte sie seinen Schwebestuhl im Eingang des Appartements. Ashendenes Blicke verrieten Sehnsucht. Cimela hatte keine Ahnung, wie lange er sie schon beobachtete, und plötzlich kam ihr zu Bewußtsein, wie abgeschieden sein Haus lag. Sie konnte nicht einfach ein Taxi bestellen und verschwinden, falls sie es für angebracht hielt, irgendwelchen unerwünschten Nachstellungen zu entgehen.
    »Ist das schon die Endfassung?« fragte er.
    Sie wußte nicht, ob sie erleichtert oder enttäuscht sein sollte. Seine Leidenschaft galt der Sinfonie, nicht ihr. »Gefällt sie dir?«
    Die Sehnsucht in den Mondstaub-Augen vertiefte sich. »Sie ist noch schöner, als ich dachte. Hat sie bereits einen Namen?«
    »Wie wäre es mit Der Sternenwanderer? «
    »Großartig. Ist es sehr aufdringlich von mir, wenn ich mich nach dem Tag der Premiere erkundige?«
    »Ja«, entgegnete sie lächelnd. »Aber du sollst dennoch eine Antwort bekommen. Ich bin so gut wie fertig. Setz also ruhig einen Termin für dieses Gala-Dinner fest! Und besorge mir ein Orchester, mit dem ich das Werk einstudieren kann! Sag mal, hast du tatsächlich vor, all die Leute von der Erde hierher zu transportieren?«
    Er erwiderte ihr Lächeln. »Nein. Die chinesische Kolonie gleich um die Ecke – sprich, auf der anderen Seite des Mondes – verfügt über ein hervorragendes Orchester.« Sein Lächeln vertiefte sich. »Vielleicht war die Wahl des Samisens doch nicht so schlecht.«
     
    Nun begann die eigentliche Knochenarbeit – das Ausdrucken der Noten für jedes einzelne Instrument sowie die Suche nach geeigneten Unterkünften für einige Dutzend Musiker, die ins Haus geströmt kamen. Cimelas Tage waren angefüllt mit Proben, die sie gleich im Festsaal abhielt – einer riesigen Kuppel im Zentrum des Kraters, gesäumt von den gezackten Steilwänden des Ringwalls.
    Allerdings blieb ihr wenig Zeit, die Aussicht zu bewundern. Obwohl sie kaum Chinesisch und der Dirigent noch weniger Englisch sprach, stritten sie doch unablässig über Tempi und andere Kleinigkeiten.
    Nachdem Ashendene einer Probe beigewohnt hatte, murmelte er: »Vielleicht wäre es doch einfacher gewesen, mit dem Synthesizer zu arbeiten.«
    Cimela schüttelte den Kopf. »Das mache ich nicht zum ersten Mal mit. Wu Chien und ich raufen uns schon noch zurecht – und wenn ich ihn zu Peking-Ente verarbeiten muß!«
    Ashendene zog zweifelnd die Augenbrauen hoch, aber als die Premiere herannahte, waren Cimela und der Dirigent tatsächlich ein Herz und eine Seele. Er schüttelte den Kopf. »Wirklich ein bemerkenswertes Talent!«
    Das Haus begann aus allen Nähten zu platzen. Die Gäste zogen mitsamt Begleitern und Personal ein. Die Fähre vom amerikanischen Raumhafen Port Heinlein kam zwei Tage lang nicht mehr zum Stillstand, und wenngleich einige der Geladenen erst in letzter Minute eintrafen, begann das Gala-Dinner doch pünktlich um siebzehn Uhr des festgesetzten Tages mit einem Cocktail im Ballsaal.
    Ashendene thronte wie ein König in seinem Schwebestuhl und begrüßte die Gäste, sobald sie aus dem Lift kamen. Er stellte sie Cimela vor, die in einem Abendkleid aus goldfarbenem Samt neben ihm stand.
    Den Gästen haftete das

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