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L wie Liquidator

L wie Liquidator

Titel: L wie Liquidator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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Stunde meiner kostbaren Zeit auf dem Gewissen haben, und dabei dürfen Sie sich an meiner Schulter ausweinen.«
    Er bugsierte mich zu einer Bar, die ziemlich voll war, und ich schleppte zwei Whiskys an seinen Ecktisch. Er kippte den einen sofort und reichte mir das leere Glas. »Den zweiten trinke ich langsamer.«
    Und das tat er dann auch. Und er gestattete mir einige Fragen. Und er tischte mir den größten Schwachsinn auf, den man sich nur denken kann. Ich schrieb alles nieder. Zum Henker mit O’Grady! Mir lasteten rosa Elefanten auf der Seele.
    »Und was tut Ihnen weh?« fragte er, als ich das Notizbuch einsteckte.
    »Wollen Sie das echt wissen?«
    Er deutete auf die leeren Gläser. »Sie haben die Sprechstunde bezahlt.«
    Und so erzählte ich ihm schließlich die Elefanten-Mär.
    »Bin ich nun verrückt?« fragte ich, als ich fertig war.
    »Das bezweifle ich.«
    »Sie glauben dran?«
    »Du liebe Güte, nein!« Er lachte. »Aber Sie glauben dran. Ich frage mich, warum. Sie sind nicht dumm, das steht fest, und Sie haben auch nichts davon, wenn Sie mir diesen Käse verzapfen.« Er erhob sich, um die nächste Runde zu holen. »Eines ist merkwürdig«, meinte er, als er wieder zurückkam. »Ich muß da an eine Geschichte denken, die mir mein Großvater erzählte. Von einem jungen Weltkrieg-Soldaten, der auf dem Schlachtfeld durchdrehte. Schien unter Halluzinationen zu leiden. Sah überall Elefanten – selbst nachdem sie ihn aus dem Kampfgetümmel holten und wegen Kriegsneurose in ein Lazarett steckten.«
    »Elefanten?«
    »Ja, ich glaube – obwohl ich’s nicht beschwören kann. Zufall, was sonst? Eine Menge Leute bilden sich die verschiedensten Dinge ein – aus den verschiedensten Gründen. Es muß ein Zufall sein. Außerdem wäre es schade, wenn es Ihnen ähnlich erginge wie dem armen jungen Kerl.«
    »Warum?«
    »Wenn ich mich recht erinnere, erhängte er sich im Lazarett.« Er runzelte die Stirn. »Ja, das hat mein Großvater erzählt. Knüpfte sich an einem Bettlaken im Lokus auf. Offenbar lebte er noch Stunden – aber er gab keinen Mucks von sich.«
    Ich erschauerte, als ich an meine Gefühle am Morgen nach dem Besuch dachte. Sie waren hier. Die Elefanten waren hier. Und dann: Herrgott, ich bringe mich um! Zunächst hatte ich geglaubt, der Gedanke müßte von den Elefanten stammen, weil er mich so stark packte und weil so wenig Logik dahinterstand. Dann legte sich der Impuls. Jetzt verfolgte ich ihn von neuem, aber er schien nirgendwo hinzuführen.
    »Sie glauben, daß ich an Halluzinationen leide?«
    »Verzeihung, Dan, aber was hatten Sie erwartet? Was soll ich Ihrer Ansicht nach tun?«
    Du sollst mir glauben! Ich will, daß du mir hilfst, andere zu überzeugen!
    Ich sah vor meinem inneren Auge, wie Eins bei unserer nächsten Begegnung enttäuscht in sich zusammensacken würde. Ich habe nichts erreicht. Keiner hört auf mich. Sucht euch irgendwo eine stille, bequeme Ecke, rollt euch zusammen und wartet auf das Ende!
    Der Whisky im Magen und die Angst, die mir die Kehle zusammenschnürte, bedrängten mich. Johns war meine letzte Hoffnung. Er strahlte eine solche Sicherheit aus. Wenn ich ihn bekehren konnte, dann vielleicht, vielleicht …
    »Könnten wir nicht noch bei mir daheim ein Glas trinken?« fragte ich.
    »Ein Glas?«
    »Meinetwegen auch zwei oder drei …«
    »Oder vier.« Er sah mich mit einem nachdenklichen Lächeln an, warf einen Blick auf seine Uhr und klimperte mit den Münzen in seiner Hosentasche. »Sie sind ein Irrer«, sagte er schließlich lachend. »Aber in der letzten Woche wurden keine russischen U-Boote in der Bantry-Bay gesichtet. Ich hole nur rasch meine Elefanten-Büchse, ja?«
    Einer geschafft, ein paar tausend neunhundertneunundneunzig auf der Minus-Seite.
     
    Richard Johns schnarchte im Vollrausch, als Eins kam. »Das hast du sehr gut gemacht, Dan«, sagte Eins. »Ich befürchtete schon, daß uns keiner diese Geschichte abnehmen würde.«
    »Wird er dich sehen?«
    »Es wird für ihn leichter sein, als es für dich war. Weil du uns akzeptierst, hast du uns bereits ein wenig in die Realitätsebene gerückt, in der sich der menschliche Geist daheim fühlt. Und wenn er uns akzeptiert, wird es für den nächsten wieder ein Stück leichter sein.« Er warf einen Blick auf die Batterien leerer Flaschen, und ich glaube, daß er lächelte. »Wie ich sehe, hast du seine inneren Barrieren bereits erheblich unterspült.«
    Aber es vergingen zwei Stunden, und ich opferte eine weitere

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