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L wie Liquidator

L wie Liquidator

Titel: L wie Liquidator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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Geist-Seele ihrer Halbexistenz eine Form verliehen haben, bleibt das Problem, wie sich besagte Seelen an einer Postenkette von Vorurteilen vorbeischleichen können, die den Geist der potentiellen Kontaktperson umgibt. Die Elefanten trafen zu spät auf der Erde ein: Vierhundert Jahre zuvor war die Suche nach dem Heiligen Gral bereits abgebrochen, Robin Hood und all die anderen kleinen Geister und Kobolde hatten dem Neuen Zeitalter Platz gemacht, und Francis Bacon verließ soeben die Universität. Die einzigen Geister, die auf Eins und seinesgleichen ansprachen, waren die Geister von kleinen Kindern, die Gugu und Gaga machten und sich über Elefanten an ihren kleinen Bettchen freuten – Kinder, die bald genug lernen würden, sich nicht vor dem Schwarzen Mann zu fürchten und sich von den Träumen ihrer Jugend zu befreien.
    Ich hatte Eins und Zwei berührt, gerochen, gehört und gesehen, hatte mir von Eins erklären lassen, daß die Seele die Eigenschaften des Körpers annahm, mit dem sie einst in Verbindung gewesen war, und konnte dennoch nicht begreifen, weshalb ich es nicht schaffte, ihn tagsüber zu sehen. »In ein paar Wochen«, erfuhr ich, »wenn uns dein logischer Verstand akzeptiert hat, wirst du uns sehen, wann immer du willst – falls wir gerade in der Nähe sind. Und wenn uns genug von deinen Mitmenschen akzeptieren, wird sich unsere Realität stabilisieren; dann sind wir nicht länger von unseren einstigen Körpern abhängig.«
    Aber …
    »Die ersten von uns verschwanden vor etwa zwanzig Jahren. Bis dahin hatten wir nicht einen verloren.« Als er davon berichtete, begann er mit seinen Vordergliedmaßen zu fuchteln, eine plumpe Geste und doch erfüllt von wilder Verzweiflung. »Dann zack, zack …« Das Wabbeln von fleischigen Armen, ein merkwürdig pfeifendes Grunzen – »Nun sind wir noch zehn. In spätestens vier Monaten gibt es keinen mehr von uns.«
    Vielleicht entsprang der Impuls zum Selbstmord, der mich am nächsten Morgen beim Aufwachen packte, meiner Angst, ich hätte den Verstand verloren. Ich starrte lange Zeit reglos auf die Tür, durch die zwei massige, rosa-purpurne Gestalten in der »Abficht, andere fu überfeugen« – wie Einf fagte – verschwunden waren. Vielleicht steckte auch der Kater dahinter, der mich überfallen hatte, sobald der ›Druck‹ der Elefanten von mir wich. Wie dem auch sein mochte, ich glaube, ich hätte mir das Lebenslicht ausgeblasen, falls ich Besitzer einer Pistole gewesen wäre.
    Oder vielleicht hatte sich die Verzweiflung von Eins ganz einfach auf mich übertragen. Vierhundert Jahre in Connemara, diesem sumpfigen kleinen Winkel von Cromwells Hölle! Und nun sah es so aus, als sei selbst das umsonst gewesen!
    Als Sheila mich mittags besuchte, war der Impuls überwunden, aber ich sah vor meinem geistigen Auge Hunderte armer, kleiner Elefantenseelen, die über Lichtjahre hinweg auf trostlose Planeten verschickt wurden und verzweifelt umherirrten, stets auf der Suche nach intelligenter Konversation.
    »Ich habe deinen Wagen draußen gesehen«, sagte sie. »Allem Anschein nach bist du doch nicht weggefahren.« Sie untersuchte ihre Fotoausrüstung nach Spuren von Gewalt, verursacht im Zustand der Trunkenheit, und seufzte. »Brauchst du die Sachen noch? Nein? Brauchst du sonst etwas?«
    Also erzählte ich ihr die Geschichte. Ich pirschte mich diplomatisch genug heran, aber ehrlich, wie bringt man einem Menschen bei, daß man die Nacht mit einer Herde Rosa Elefanten durchgesoffen hat? Und als ich sie einlud, am Abend vorbeizuschauen und ein Glas mit mir zu trinken, damit ich ihr die Existenz meiner Freunde beweisen könne, wich sie zur Tür zurück. »Nicht schlecht, Dan«, sagte sie mit einem schelmischen Lächeln, das gar nicht zu ihr paßte. »Ich habe mir schon manche Story anhören müssen, wenn mich ein Kerl ins Bett zu kriegen versuchte, aber die hier …«
    Als sie dann bei sich daheim war, wußte sie nichts Besseres, als meinen Bruder anzurufen. Der kam abends von Cork rübergefahren, stapfte beunruhigt durch mein Apartment, fragte, ob ich auch vernünftig äße, sagte mir, daß ich elend aussähe, fand, daß es höchste Zeit für mich sei, das Lotterleben endlich aufzugeben und zu heiraten, und nannte mir einen netten Priester für die wöchentliche Beichte.
    Wie konnte ich nur so blöd sein und annehmen, daß er mir zuhören würde? Schon als Kind schien er immer ganz genau zu wissen, was das Leben so spielte, und später an der Universität hatte er den

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