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L wie Liquidator

L wie Liquidator

Titel: L wie Liquidator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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Unsinn, den die Exzentriker dieser Welt von sich gaben, stets strikt abgelehnt. Nach den ersten paar Sätzen sprang er wieder auf. »Also hatte Sheila doch recht! Mann, bist du ein versoffenes Loch! Du verdienst so ein nettes Mädel wie sie überhaupt nicht.« Und er stieg in seinen Volkswagen und fuhr heim in seine behagliche Apotheke in Cork.
    Evans wand sich verlegen, als ich ihn ins Vertrauen zu ziehen versuchte. Aber er besaß Geistesgegenwart und meinte lachend, so etwas könnte den Lesern gefallen – und er würde es auch im Courier abdrucken, wenn ich es ein wenig aufpolierte und mit den Kommentaren von ein paar gelehrten Klugscheißern versähe. »Aber bring die Fakten nicht durcheinander, Dan! Alkoholiker sehen keine rosa Elefanten, solange sie trinken – erst wenn man ihnen den Stoff zu entziehen versucht. Außerdem glaube ich nicht an die rosa Elefanten. Säufer kriegen alle möglichen Halluzinationen, aber ich kenne keinen einzigen Fall einer klassischen Rosa-Elefanten-Vision.«
    In den nächsten Tagen warfen mir die Kollegen keine mitleidigen Blicke zu, machten weiter ihre Späße, wenn ich vorbeiging, und flüsterten auch nicht hinter meinem Rücken. Als mich aber O’Grady in sein Büro holte, um mir das Fiasko mit Johns aufs Brot zu schmieren, tat er das auf entmutigend menschliche Art. »Da – das sollte Sie ein wenig ablenken«, meinte er und schob mir die Johns-Akte über den Tisch. »Ich gebe Ihnen die Chance, Ihre Schlappe wettzumachen. Heften Sie sich noch einmal an seine Fersen! Wenn es Ihnen gelingt, neue Fakten in Erfahrung zu bringen, dann stehen Sie eine oder zwei Wochen lang auf der ersten Seite.«
    O’Grady tat mir damit keinen Gefallen. Für einen Hintergrundbericht über Johns brauchte man eine Flotte Autos mit gefälschten Kennzeichen, eine Meute Spürhunde und ein Heer von Washington Post- Journalisten. Und selbst dann landete der Artikel vermutlich in der linken unteren Schublade von O’Gradys Schreibtisch, und der Verfasser mußte seinen nächsten Hintergrundbericht über die Modewoche von Ballsbridge tippen.
    Trotz der Dundalk-Affäre, als Johns angeblich seine SAS-Kameraden verraten und in einen IRA-Hinterhalt gelockt hatte; trotz der wiederholten Auslieferungsbegehren der britischen Regierung gegen Ende der Siebzigerjahre; und trotz der hartnäckigen Gerüchte von hartnäckigen SAS-Streifzügen in den Süden, die das Ziel hatten, Johns zu liquidieren – trotz all dieser Dinge hielt sich das Gerücht, daß Johns immer noch für die Briten arbeitete, daß er einer wichtigen Kampfzelle der Engländer oder NATO angehörte, die im Falle eines Atomkrieges gegen irische Einrichtungen vorgehen sollte.
    Ich hatte Johns vor einer Woche in St. Joseph’s aufgespürt, einem dieser Heilsarmee-Heime drunten bei den Docks. Ich fand ihn dort auch wieder. Er hatte einen elastischen Gang und eine aufrechte Haltung, die ihn von den schlurfenden, gebeugten Heimbewohnern deutlich unterschied. Seine Kleider wirkten getragen, aber nicht abgetragen. In der Stadt gingen sie aller Voraussicht nach als lässig durch. Ich folgte ihm in die Stadt, lauerte an einer Ecke, als er an einem Stand Obst kaufte, versteckte mich hinter einer Zeitung, als er Schaufenster betrachtete, und stöhnte laut, als er mir den Arm auf den Rücken drehte.
    »Schon wieder Sie?« seufzte er, als er mich in die Toreinfahrt eines Ladens schob.
    »Blöd, nicht wahr?« Trotz des flammenden Schmerzes in meinem Arm versuchte ich meiner Stimme einen lockeren Klang zu geben.
    Er ließ mich los. »Sie sind zu alt für diese Räuber-und-Gendarm-Spiele. Warum schickt ihr keinen Anfänger los, der Erfahrung im Beschatten von Leuten sammeln muß?«
    »Nun passen Sie mal auf!« sagte ich. »Jeder weiß, daß Sie Marschflugkörper unter Ihrer blutgetränkten Matratze versteckt haben, Hosentaschen-Modelle, mit denen Sie das erstbeste russische U-Boot vernichten werden, das in der Bantry-Bay aufkreuzt. Die britische Regierung weiß es, die irische Regierung weiß es, mein Herausgeber weiß es, und der Frühkartoffel-Korrespondent für Die Irische Landfrau weiß es ebenfalls. Warum weihen Sie nicht auch mich in Ihr düsteres Geheimnis ein? Dann schreibe ich einen Artikel darüber, den mein Herausgeber in den Papierkorb schmeißt, und alle sind froh und glücklich.«
    »Mann o Mann«, meinte Johns kopfschüttelnd. »Nun triefen wir aber vor Selbstmitleid, ja? Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Sie spendieren mir einen Drink, weil Sie eine

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