L wie Liquidator
keinerlei Widerspruch erhob, sondern die Hacken zusammenklappte, als wollte er salutieren, und sich an die Wohnungstür zurückzog. Als er sie öffnete, um einen Blick nach draußen zu werfen, kam Eins herein. O’Neill bemerkte ihn nicht; keiner außer mir bemerkte ihn. Nicht einmal Johns wußte, daß er bereits da war und auf den geeigneten Moment der ›Materialisierung‹ wartete. Inzwischen konnte ich Eins auch ohne Alkohol sehen, sobald er in der Nähe war.
Eins plauderte mit mir, während die anderen sich der ernsten Aufgabe widmeten, mit den Flaschen aufzuräumen. Gelegentlich warfen sie mir einen Blick zu und zogen die Augenbrauen hoch, weil sie meinten, daß ich Selbstgespräche führte. Aber wie hat er es geschafft, den Käpten zu überzeugen? Johns ist doch kein dämlicher Paddy! Nun, ich war harmlos und der Schnaps umsonst.
»Glaubst du, er schafft es?« fragte Eins.
»Er glaubt, er schafft es. Nahm an einer harten Ausbildung teil, als er sich in den Sechzigerjahren der SAS anschloß. Dazu gehörten unter anderem das Erstürmen und die Verteidigung des Regierungssitzes. Nur ein Kriegsspiel, wie sie damals dachten. Er machte bei einem arabischen Angreifertrupp mit. Behauptet, daß seine Seite gewann und die Downing Street mit einer Handvoll Leute besetzt hielt. Und das, obwohl Hausnummer Zehn durchaus realistisch nachgebildet war.«
»Die anderen?«
»Meist jünger und natürlich nicht alle Ex-Angehörige der SAS. Aber auch die anderen Sicherheitsdienste erhielten in den letzten Jahren eine gründliche Schulung, kein Wunder bei all den Pannen in den Ministerien und Privatpalästen. Johns rechnet mit insgesamt dreißig Mann – er glaubt, daß er drüben ein weiteres Dutzend anheuern kann – und dreißig reichen aus, um den Amtssitz des Premierministers zu erobern.«
Gegen ein Uhr sahen sie so aus, als könnten sie nicht mehr viel reinquetschen. Sie hatten im übrigen soviel verschüttet und von sich gegeben, daß mein Apartment an ein Schlachtfeld erinnerte. Aus einer Ecke erschollen heisere Gesänge, und Mrs. Corish war heraufgekommen und hatte gedroht, die Polizei zu holen. O’Neill gab ihr allerdings Rätsel auf. Er hielt eisern die Stellung an der Tür, hatte die Schußhand in der Manteltasche geballt und schien den Tränen nahe, als sie ihn fragte, ob er vielleicht ein IRA-Mann sei. Er sah hilflos zu Johns hinüber, doch der war betrunken von ihrem trockenen Scherz ebenso aus der Fassung gebracht wie O’Neill. Engländer haben keinen Sinn für irischen Humor.
Kurz nach eins ähnelten sie dann wieder einer passablen Truppe. Sie waren nüchtern und leise verwirrt. O’Neill beobachtete, wie einer nach dem anderen zu sich kam, die Möbel anstarrte und Selbstgespräche zu führen begann. Sein Mund stand weit offen, und seine Hand umklammerte fest den Türgriff: Wenn dieser Wahnsinn ansteckend war, dann mußte er sich zur Flucht bereithalten.
Am ersten Mittwochabend im März traf ich mich mit Johns in einer Bar in Camden Town. Er hatte Eins und drei weitere Elefanten mitgebracht, die letzten Überlebenden des Expeditionschors von Andromeda. Vier Seelen waren im Laufe des Monats Februar abberufen worden. Die letzten drei hatte Eins aus verschiedenen Teilen der Welt zusammengetrommelt, damit sie ihn beim historischen Sturm auf die Downing Street unterstützten.
Ich fand es ungemütlich, in einer überfüllten Bar zu sitzen und Kriegsrat abzuhalten. Obwohl ich versuchte, nicht hinzusehen, versetzte es mir jedesmal einen Stich, wenn ein betrunkener Fremder auf dem Weg zu den Toiletten durch einen rosa Elefanten stolperte oder ein Neuankömmling unseren Freunden aus dem All den Stuhl unterm Hintern wegzog.
»Ist das Ihr Platz, Mister?«
»Nein.«
»Sitzt da schon jemand?«
»Äh …«
»Na, dann vielen Dank.«
Einer der Elefanten folgte seinem Stuhl zu einem anderen Tisch und setzte sich zusammen mit dem Gast darauf. Der Anblick machte mich wirr und schwindlig, und so wandte ich mich ab. Fünf Minuten später weckte ein Schrei erneut meine Aufmerksamkeit. Ich sah, wie der Mann aufsprang und beide Hände an die Schläfen preßte. Der Elefant gesellte sich wieder schwerfällig zu uns. Seine Rüssel-Fasern bewegten sich verspielt.
So lungerten die Elefanten herum und nahmen die Bar-Atmosphäre in sich auf, aber das waren sie nach so langer Zeit an den Tränken der Menschheit zweifellos gewohnt. Eine Country- und Western-Band schirmte unsere Unterhaltung gegen neugierige Lauscher an den
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